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Über 7 Jahre Haft nach Entschlüsselung des „Kryptohandys“

Landgericht Traunstein verurteilt mutmaßlichen Drogenhändler – Ermittlungserfolg für Staatsanwaltschaft Traunstein und Hauptzollamt Rosenheim

Traunstein. Das Landgericht Traunstein verurteilte am 24.07.2024 nach sechs Verhandlungstagen einen einschlägig vorbestraften 36-jährigen Mann aus Freilassing wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen und Handeltreibens mit Cannabis in fünf Fällen, davon zweimal auch wegen Einfuhr, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Jahren 3 Monaten. Zugleich wurde die Einziehung von Wertersatz in Höhe von über 150.000 € angeordnet. Die umfangreichen Ermittlungen von Staatsanwaltschaft und Zoll hatten ergeben, dass der bereits seit Mitte November letzten Jahres in Untersuchungshaft befindliche Angeklagte von Dezember 2020 bis Ende März 2021 in großem Umfang Handel mit Kokain und Marihuana getrieben haben soll. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da der Angeklagte Revision eingelegt hat. Er bleibt weiter in Untersuchungshaft.

Ausgangspunkt für die komplexen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und des Zolls war eine gewöhnliche Reiseverkehrskontrolle Ende März 2021 in Freilassing. Als zwei Zöllner der Traunsteiner Kontrolleinheit um kurz nach Mitternacht einen Mann mit einem Rucksack, der auf einem Fahrrad unterwegs war, kontrollieren wollten, gelang diesem die Flucht. Allerdings warf er dabei den Rucksack auf ein Garagendach im Stadtgebiet von Freilassing. Die beiden Zollbeamten stellten diesen sicher und fanden darin sieben Pakete mit rund 1.000 Gramm Kokain, bei dessen Untersuchung ein sehr hoher Wirkstoffgehalt von über 90 % festgestellt wurde, sowie einen Kugelschreiber mit dem Namen einer Rechtsanwaltskanzlei, die den Angeklagten in einem früheren Strafverfahren verteidigt hatte. An den Schultergurten des Rucksacks wurde eine DNA-Spur gefunden, die dem Angeklagten zugeordnet werden konnte.

Aufgrund eines von der Staatsanwaltschaft Traunstein erwirkten gerichtlichen Beschlusses wurde im April 2022 die Wohnung des Angeklagten durchsucht. Dort wurde ein sogenanntes „Kryptohandy“ beschlagnahmt, auf dem die Kommunikation durch die Verwendung der Software „Sky ECC“, die nahezu ausschließlich von kriminellen Gruppierungen genutzt wird, verschlüsselt worden war. Die im Rahmen der Auswertung veranlasste Prüfung der beim Bundeskriminalamt geführten Datenbank „Sky ECC“ im Hinblick auf den Angeklagten führte schließlich zu einer Kennung, bei der es zahlreiche Hinweise darauf gab, dass diese vom Angeklagten für die Anbahnung und Abwicklung eines schwunghaften Handels mit Kokain und Marihuana genutzt wurde. Da die Verschlüsselung der Software „Sky ECC“ im Frühjahr 2021 durch europäische Strafverfolgungsbehörden geknackt wurde, war es möglich, umfangreiche Chatverläufe zu entschlüsseln, die mutmaßlich die Kommunikation des Angeklagten mit den Verkäufern der Betäubungsmittel beinhalten.

Nach den Feststellungen der 2. Strafkammer des Landgerichts Traunstein soll der Angeklagte im Zeitraum von Dezember 2020 bis Ende März 2021 insbesondere im Raum Freilassing und Umgebung in fünf Fällen mit insgesamt rund 1,9 Kilogramm Kokain und in weiteren fünf Fällen mit rund 18 Kilogramm Marihuana Handel getrieben haben. In zwei der Fälle des Handeltreibens mit Marihuana soll er die Betäubungsmittel in Tschechien gekauft und persönlich nach Deutschland geschmuggelt haben. Soweit ein weiterer Fall des Handeltreibens mit 200 Gramm Kokain angeklagt war, erfolgte ein Teilfreispruch, da dieses Drogengeschäft aufgrund der Chatverläufe nicht vollends zur Überzeugung der Kammer nachgewiesen war.

In der Begründung des Urteils, das nach umfangreicher Beweisaufnahme am sechsten Hauptverhandlungstag verkündet wurde, legte der Vorsitzende Richter Volker Ziegler unter Bezugnahme auf höchstrichterliche und obergerichtliche Rechtsprechung zu vergleichbaren Fällen dar, dass die durch Entschlüsselung der Software „Sky ECC“ erhobenen Daten aus Sicht der Kammer vollumfänglich verwertbar seien. Die Verteidiger des Angeklagten hatten die Auffassung vertreten, sämtliche Chatverläufe dürften infolge eines Beweisverwertungsverbots vom Gericht nicht berücksichtigt werden.

Bei der Strafzumessung bewertete das Landgericht insbesondere die einschlägige Vorstrafe des Angeklagten zu dessen Lasten. Er war Ende 2014 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 32 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren 6 Monaten verurteilt worden, von denen er zwei Drittel verbüßt hat. Zu den mutmaßlichen Tatzeitpunkten stand er noch unter offener Bewährung hinsichtlich der Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe. Mit der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Jahren 3 Monaten blieb die Kammer nur knapp unter dem Antrag von Staatsanwalt Nils Wewer, der eine Haftstrafe von 8 Jahren 2 Monaten gefordert hatte. Zugleich wurde die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 154.500 Euro angeordnet, wobei von einem Mindestverkaufspreis von 65 Euro pro Gramm Kokain und von 6 Euro pro Gramm Marihuana ausgegangen wurde. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Beide Verteidiger des Angeklagten haben Revision eingelegt.

Beitragsbild: © inn-sider.de

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