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Wie steht es um den Kiebitz im Landkreis Mühldorf?

Seit zwei Jahren koordiniert der Landschaftspflegeverband (LPV) Mühldorf das Kiebitz-Schutzprojekt im Landkreis Mühldorf und zieht nun eine erste Bilanz.

Das Kiebitz-Schutzprojekt

Im Jahr 2020 übernahm der LPV Mühldorf die Leitung des Gemeinschaftsprojektes von Landesbund für Vogelschutz (LBV), Bayerischem Bauernverband (BBV), Wildland-Stiftung Bayern und Unterer Naturschutzbehörde zum Schutz der immer seltener werdenden Kiebitze im Landkreis Mühldorf. Der bodenbrütende Feldvogel war ursprünglich ein Wiesenbrüter auf feuchten und nassen Extensivwiesen. Im Landkreis Mühldorf legt er seine Nester inzwischen jedoch aufgrund der fehlenden ursprünglichen Brutstandorte überwiegend auf Ackerflächen an. Damit die Gelege hier durch die Feldbearbeitung im Frühjahr nicht zerstört werden, sind jedes Jahr mehrere ehrenamtliche Kiebitz-HelferInnen der LBV Kreisgruppe Mühldorf aktiv, um die Kiebitz-Nester auf den Feldern zu lokalisieren und mit der Genehmigung der Landwirtinnen und Landwirte zu markieren und so vor einer Zerstörung zu bewahren.

Ein ortstreuer Vogel mit Vorliebe für feuchte Standorte

Kiebitze sind sehr brutortstreu. Wenn sie Ende Februar/Anfang März aus ihren Überwinterungsgebieten zurückkehren, suchen sie deshalb stets ihre angestammten Brutgebiete aus den vergangenen Jahren auf. Im Rahmen des Kiebitz-Schutzprojektes konnten somit für den Landkreis Mühldorf mehrere Brutschwerpunktgebiete ausgemacht und in der so genannten „Feldvogelkulisse Kiebitz“ zusammengefasst werden.  Viele dieser Gebietskulissen liegen in Fluss- und Bachniederungen wie dem Isen- und Rottal und ihren Zuflüssen, in denen in vergangenen Zeiten feuchte Wiesen oder Weiden verbreitet waren. Bereits die Namen vieler Brutgebiete wie Thalhamer Moos, Gaymoos oder Löffelmoos zeigen, dass die Feldvögel Feuchtflächen als Lebensraum bevorzugen, um dort im feuchten Boden und Flachwassermulden Nahrung zu finden.

Deutschlandweit stark gefährdet– wie steht es im Landkreis Mühldorf?

Seit dem Jahr 1980 ist die Zahl der brütenden Kiebitze in Deutschland um 93 % auf nur mehr 42.000 bis 67.000 Brutpaare zurückgegangen. In Bayern zählt der Wiesenbrüter inzwischen zu den am stärksten gefährdeten Vogelarten und wird in der Roten Liste als „stark gefährdet“ eingestuft.

Im Landkreis Mühldorf wurden in diesem Jahr insgesamt 52 Kiebitz-Nester auf landwirtschaftlichen Flächen erfasst, einschließlich mehrerer Nachgelege, also Ersatzgelege nach einem Gelegeverlust. Daher ist die Zahl der tatsächlichen Brutpaare mit ca. 43 Kiebitz-Paaren niedriger als die Zahl der erfassten Nester. Verteilt auf die etwa 20 bekannten Brutgebiete im Landkreis, ergeben sich lediglich rund zwei Paare pro Brutgebiet. Dabei brütet der Kiebitz normalerweise in lockeren Kolonien, was ihm bei der Verteidigung seiner Nester  gegenüber Fressfeinden aus der Luft ein Vorteil ist. Der Kiebitz-Bestand ist also auch im Landkreis Mühldorf mittlerweile sehr gering. Vergleicht man die diesjährigen Zahlen mit denen aus dem vorangegangenen Jahr 2020 mit 51 lokalisierten Nestern und ebenfalls ca. 43 erfassten Brutpaaren, zeichnet sich zunächst ein gleichbleibender Kiebitzbestand für den Landkreis Mühldorf ab. Allerdings schlüpfen nicht aus allen Nestern Küken. Viele Gelege fallen Nesträubern wie dem Fuchs oder dem Marder zum Opfer. So war der Schlupferfolg in diesem Jahr mit lediglich 21 erfolgreich geschlüpften Nestern verglichen mit der Brutsaison 2020, in der die Schlupfrate bei 50 % lag, wesentlich niedriger. Unklar ist zudem der eigentliche Bruterfolg der Kiebitze, d.h. wie viele der geschlüpften Kiebitzküken tatsächlich flügge werden.

Wie steht es also nun um den Kiebitz im Landkreis Mühldorf?

Dazu erklärt Esther Lindner (LPV), Projektkoordinatorin des Kiebitz-Schutzprojektes: „Die Zahlen zeigen, dass durch die jährlichen Gelegeschutzmaßnahmen des Kiebitz-Projektes der aktuelle Stand der Kiebitzpopulation im Landkreis Mühldorf gehalten werden kann.“ Zur Sicherung der Vorkommen sei daher die kontinuierliche Fortführung des Projektes unabdingbar. Gleichzeitig warnt Lindner jedoch vor einer versteckten „Aussterbeschuld“ der Feldvögel. So bezeichnet man das zeitlich verzögerte Aussterben einer Art, wie es häufig bei sehr langlebigen Tierarten auftritt. „Kiebitze können mit bis zu 24 Jahren sehr alt werden“, so die Projektleiterin, „fallen die derzeitigen Brutpaare altersbedingt weg oder kehren einzelne Vögel nicht aus ihren Überwinterungsgebieten zurück, können die Bestände bei zu geringem Bruterfolg abrupt einbrechen.“ Ihr Fazit: „Langfristig müssen wir es schaffen, den Schlupf- und Bruterfolg der Kiebitze zu erhöhen. Nur so gewährleisten wir eine stabile Population, die den Verlust von einzelnen Altvögeln ausgleichen kann.“

Der Kiebitz war früher ein weit verbreiteter Wiesenbrüter. Heute legt er seine Nester überwiegend auf Ackerflächen an und ist mittlerweile auch im Landkreis Mühldorf selten geworden. (Foto: LPV Mühldorf)

Ein Kiebitznest wurde auf einem Feld mit einem Haselnussstecken markiert. So ist die Lage des Nestes für den Landwirt zu erkennen und er kann es bei der Bewirtschaftung umfahren. (Foto: LPV Mühldorf)

Kiebitzvorkommen für die Zukunft sichern – gemeinsam anpacken für den Kiebitz

Wie man den Bruterfolg der gefährdeten Feldvögel steigern kann, darüber berichtete Esther Lindner auch bei der Abschlussveranstaltung  des diesjährigen Kiebitz-Schutzprojektes am 05.10.2021 in Stefanskirchen, zu der die Projektpartner und Bürgermeister Grundner aus Ampfing alle beteiligten LandwirtInnen und JägerInnen eingeladen hatten. „Die Beteiligung der Landwirte am Kiebitz-Schutzprojekt war auch in diesem Jahr wieder überwältigend“ freute sich die Projektleiterin. So konnten auch heuer wieder Nestprämien für erfolgreich geschlüpfte Nester und Kiebitz-Plaketten an insgesamt 14 Landwirte vergeben werden. Lindner bedankte sich im Zuge der Veranstaltung auch bei den Kommunen für die finanzielle Unterstützung, bei den anwesenden JägerInnen für ihr Interesse sowie bei den ehrenamtlichen Kiebitz-HelferInnen der LBV Kreisgruppe Mühldorf für ihr unermüdliches Engagement.

Zur Erhöhung des Schlupferfolges ist neben der bisherigen Gelegemarkierung für die kommende Brutsaison auch eine Zäunung von Kiebitznestern angedacht. „In einzelnen Gebieten sind die Gelegeverluste durch Bodenräuber so hoch, dass zu befürchten ist, dass die Kiebitze nach mehreren Jahren ohne Bruterfolg das Brutgebiet aufgeben.“, erklärt Lindner. „Auch mit den Jägerinnen und Jägern stehen wir in Kontakt für ein optimales Prädatorenmanagement.“ Die zweite Grundsäule für die Steigerung des Bruterfolges ist die Optimierung der Lebensräume der Feldvögel, insbesondere hinsichtlich der Nahrungsversorgung der Küken. Hier spielt vor allem das Angebot an Feuchtstellen eine wichtige Rolle. „Wir haben Landwirte, die für die Kiebitze kurze Grabenabschnitte aufweiten und abflachen, damit die Küken ans Wasser gelangen können. Ein Landwirt hat sogar extra eine Flachwassermulde auf seinem Acker angelegt, die über eine Leitung bei Bedarf zusätzlich befüllt werden kann.“, berichtet Lindner. Aber auch bereits kleine Maßnahmen könnten viel bewirken, beispielsweise der Erhalt feuchter Stellen im Acker. „All diese Maßnahmen können finanziell gefördert werden, insbesondere, wenn sie innerhalb der vorgestellten „Feldvogelkulisse“ und damit einem bekannten Kiebitz-Brutgebiet liegen.“, so die Projektleiterin. Lindner blickt positiv in die Zukunft: „Bei der bereits jetzt vorhandenen großen Beteiligung und Teilnahmebereitschaft der Landwirte, zusammen mit dem etablierten, engagierten Team an Kiebitz-HelferInnen, sowie durch die Unterstützung der Jägerschaft und dem Beitrag der Kommunen hat der Kiebitz die besten Voraussetzungen für seinen Fortbestand im Landkreis Mühldorf. Also, packen wir es an!“

Bild oben: Ein frisch geschlüpftes Küken auf einem Maisacker. Die Eier und Küken sind so gut getarnt, dass sie bei der Bewirtschaftung häufig übersehen werden. (Foto: LPV Mühldorf)

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