Landtagswahl Bayern: Bernhard Suttner (ÖDP) im Gespräch
Neben CSU, SPD und AfD werben bei der kommenden Landtagswahl auch verschiedene Kleinparteien um die Gunst der Wähler in Bayern. Eine davon ist die ÖDP, die Bernhard Suttner aus Mühldorf als Direktkandidaten aufgestellt hat.
Die 1982 gegründete ÖDP gilt als der bürgerlich-konservative Teil der deutschen Umweltbewegung. Auf kommunaler Ebene ist die Partei in Bayern bereits fest verankert, den Sprung in den Landtag hat sie bisher nicht geschafft. Für Bewegung im Freistaat sorgt die ÖDP immer wieder mit Volksbegehren: Ende der 90er setzte sie sich erfolgreich für die Auflösung des bayerischen Senats ein, auch das geltende Nichtraucherschutzgesetz geht auf eine ÖDP-Initiative zurück.
Als Direktkandidat schickt die Mühldorfer ÖDP 2023 den Wirtschaftsinformatiker Bernhard Suttner ins Rennen. Der zweifache Vater erklärt uns im Interview, wie er sich das Bayern der Zukunft vorstellt.
inn-sider: Herr Suttner, bei der letzten Landtagswahl hat die ÖDP 1,6 % der Stimmen geholt. Glauben Sie, dass dieses Mal mehr für Ihre Partei drin ist?
Bernhard Suttner: Auf jeden Fall. Die ÖDP konnte bei den Kommunalwahlen dazu gewinnen und war auch bei der Bundestagswahl, trotz der schwierigen Umstände und weiteren politischen Mitbewerbern, durchaus erfolgreich. Sie hat einen guten Ruf und steht für direkte Demokratie wie keine andere Partei – nicht nur wegen des erfolgreichsten Volksbegehrens “Rettet die Bienen”, welches von der ÖDP initiiert wurde. Die Unzufriedenheit mit den ‘Ampelparteien’ ist nicht von der Hand zu weisen und auch die Kritik an den Parteien der bayerischen Staatsregierung ist nicht zu überhören. Die ÖDP ist eine wirkliche ‘Alternative ohne Rechts’ wie es auch Heribert Prantl in einem Kommentar in der Süddeutschen Zeitung heraus stellte.
inn-sider: Union und Grüne haben sich in den letzten Jahren einander angenähert, in einigen Ländern gibt es Koalitionen aus CDU und Grünen. Ist dazwischen noch Platz für eine Partei wie die ÖDP?
Bernhard Suttner: Davon bin ich fest überzeugt und gerade seit die Grünen in der Ampelkoalition einen faulen Kompromiss nach dem anderen eingehen müssen, bestärkt es mich, dass es eine zweite ökologische Partei als Korrektiv für die Grünen braucht. Union und Grüne beharren unweigerlich darauf, ewiges Wirtschaftswachstum zu propagieren – bei den Grünen wird das Ganze dann noch zusätzlich “grün eingefärbt”, aber das Ziel bleibt, die Wirtschaft muss wachsen, wachsen, wachsen. Wir leben jedoch auf einem Planeten mit begrenzten Ressourcen: Wasser, Boden, Bodenschätze, usw. sind eben nicht unbegrenzt vorhanden. Deswegen kann es auch kein grenzenloses materielles Wachstum auf Dauer geben. Das hält unsere Erde auf Dauer nicht aus. Auch wir Menschen, vor allem Familien, leiden unter dem “höher, schneller, weiter”. Die ÖDP ist die einzige Partei, die sich dazu bekennt, dass es Grenzen des Wachstums gibt.
Darüber hinaus sind die Grünen in den letzten Jahren von vielen ursprünglichen Ideen abgerückt, wie z.B. das überaus wichtige basisdemokratische Instrument nach Volksbegehren auf Bundesebene, die wir nach wie vor in unserem Programm fordern. Über grundsätzliche Unterscheidungen zwischen der CSU/CSU und der ÖDP könnte ich jetzt noch einige Seiten füllen. Unser Programm ist allgemein in erster Linie auf die Bedürfnisse von Menschen, der Natur und den Tieren ausgerichtet und setzt nicht die Interessen von Konzernen und Lobbyverbänden an oberste Stelle. Man könnte es auch so formulieren wie der bekannte Journalist und TV-Moderator Franz Alt: „Die CDU hat das ‚C‘ im Namen, die ÖDP hat das ‚C‘ im Programm“.
inn-sider: Sie fordern eine „Gemeinwohlökonomie als neues Wirtschaftskonzept, in dem nicht mehr die Profitmaximierung an erster Stelle steht“. Birgt ein solcher Ansatz nicht die Gefahr, dass Bayern und Deutschland gegenüber dem Rest der Welt noch weiter abgehängt werden?
Bernhard Suttner: Ich kann nicht erkennen, dass der Rest der Welt uns abhängt, wie von manchen suggeriert wird – ähnlich übrigens wie der mögliche, aber in keinster Weise eingetretene Strom-Blackout wegen der Energiekrise und dem Abschalten der AKWs. Fakt ist doch, dass wir einen enormen Fachkräftemangel haben, z.B. in der Pflege oder bei Erzieher/innen. Trotzdem ist das Gehalt dieser Berufsgruppen dürftig. Auf der anderen Seite muss ich feststellen, dass z.B. der DAX von einem Allzeithoch zum Nächsten rennt. Noch immer gibt es keine Finanztransaktionssteuer. Gehälter zum Mindestlohn führen unweigerlich in Altersarmut. Wollen wir das alles einfach so hinnehmen? Diese Ungleichverteilung ist Gift für unsere Demokratie und den Zusammenhalt der Gesellschaft. Das Streben nach, zumeist kurzfristiger, Profitmaximierung darf nicht mehr an erster Stelle stehen, sondern das Gemeinwohl aller muss in den Vordergrund, oder wie es Artikel 151 der bayerischen Verfassung formuliert: „Die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit dient dem Gemeinwohl …“. Kriterien, wie Familienfreundlichkeit, Arbeitsplatzsicherheit, schadstoffarme Produktion, Nachhaltigkeit, Beitrag zu Gemeinwesen, usw. werden in einer Gemeinwohlbilanz festgehalten. Unternehmen mit eben so einer Bilanz sollen dann steuerliche Vorteile genießen. Diesen Weg müssen wir gehen, damit alle vom wirtschaftlichen Erfolg profitieren, das Gemeinwohl wächst und der Zusammenhalt der Gesellschaft gestärkt wird.
inn-sider: Gleichzeitig geht die ÖDP mit den Forderungen „Pflegegehalt“, „Erziehungsgehalt“ und „Beitragsgerechtigkeit für Eltern in der Rentenversicherung“ in den Wahlkampf. All das muss ja auch finanziert werden, wie funktioniert das in einer Gemeinwohlökonomie?
Bernhard Suttner: Die entscheidende Frage ist doch, wie viel ist uns die Erziehung unserer Kinder und die Pflege von Eltern und Großeltern Wert? Aktuell ist es doch so, dass viele Familienangehörige diese Aufgaben unentgeltlich übernehmen, auch wenn es finanziell überhaupt nicht wertgeschätzt wird. Nein, es wirkt sich evtl. später in der Rente sogar negativ aus, wenn entsprechende Beitragsjahre fehlen. Gerade bei der “Erziehungsarbeit” für Kinder finde ich diesen Umstand wirklich töricht, da Kinder unsere Zukunft sind und sie irgendwann schlussendlich die Rente für die älteren Generationen bezahlen werden. Die ÖDP fordert deswegen ein sozialversicherungspflichtiges Familiengehalt für Kinder bis zum 3. Lebensjahr, das den Kosten eines KiTa-Platzes entspricht und für finanzielle Sicherheit sorgt. Eltern haben dann die Wahlfreiheit, ob sie ihr Kind zuhause betreuen oder es in einer KiTa betreuen lassen. Es ist also nur fair, dass Eltern die gleiche finanzielle Anerkennung bekommen, wenn sie ihre Kinder selbst betreuen und keinen KiTa-Platz benötigen. Dadurch wird auch die prekäre Lage in vielen KiTas aufgrund fehlender Erzieherinnen entschärft. Gleiches gilt im Übrigen auch für das von uns geforderte Pflegegehalt. Kindererziehung und Pflege, egal ob zuhause oder durch einen Träger, ist ein Dienst am Gemeinwohl. Diese Bereiche müssen durch die Gesellschaft eine viel höheren Stellenwert bekommen.
inn-sider: Welches Projekt würden Sie als erstes in Angriff nehmen, wenn die Bürger Sie in den Landtag schicken? Was wären die Themen, mit denen Sie sich als Abgeordneter gerne befassen würden?
Bernhard Suttner: Das erste Projekt wäre eine Gesetzesinitiative für eine unabhängige Politik zu starten, so dass Parteien keine Spenden mehr von Unternehmen und Konzernen annehmen dürfen. Dieses Sponsoring “riecht” immer nach gekauftem Einfluss durch die Industrie und Verbänden und schadet somit unserer Demokratie. Als ÖDP stehen wir seit unserer Gründung hinter dieser Forderung und haben uns selbst verboten, Spenden von Konzernen bzw. juristischen Personen anzunehmen. Für unsere Region würde ich mich zudem schnellstmöglich dafür einsetzen, dass der Schutz unseres Wassers in der bayerischen Verfassung ohne Wenn und Aber fest verankert wird. Vorhaben, wie die Abfüllung von Tiefenwasser in Plastikflaschen in Weiding/Polling mit anschließendem Verscherbeln beim Discounter haben dann hoffentlich keine Chance mehr in Zeiten von Klimaerhitzung, Dürre und sinkenden Grundwasserständen.
Das Thema Postwachstumsökonomie gehört für mich ins Parlament. Wie schaffen wir die Transformation unserer Wirtschaft als Gesellschaft, weg vom Glauben an ewiges Wachstum hin zu einem gemeinwohlorientierten Unternehmertum, wie es auch in der bayerischen Verfassung verankert ist?
Zudem würde ich gerne daran arbeiten, die Energiewende endlich anzupacken. Viel zu lange hat die 10-H Regel den Ausbau der Windkraft verhindert. Nun “muss” man wohl groß denken und akzeptiert, selbst von Umweltschutzverbänden, den Bau von Windkraftanlagen in Wäldern. Ich bin kein wirklicher Fan davon, da ich der Meinung bin, dass der Mensch schon genug Flächen für sich beansprucht hat. Wahrscheinlich müssen wir jetzt die bittere Pille schlucken, die uns CSU und Freie Wähler verabreicht haben. Deswegen würde ich gerne, dass der Freistaat eine 0%-Finanzierung für Windkraftanlagen anbietet, die durch Gemeinden bzw. Städten in Bürgerhand gebaut und betrieben werden. Als Bundesland mit vielen Sonnenstunden möchte ich mich dafür einsetzen, Photovoltaik auf “jedes” Dach zu bringen und Agri-PV; Supermarktparkplätze mit PV und Lademöglichkeit für E-Autos; Lärmschutzwände an der A94 mit PV – die Sonne schickt uns keine Rechnung. Der nächste Schritt, den wir hier angehen müssen, ist natürlich die Speicherung der Energie. Kurzfristig in Batterien längerfristig in Form von Wasserstoff.
Foto: © Bernhard Suttner