Das große Erhartinger Karfreitagsgrab
Der Brauch Ostergräber in den Kirchen aufzustellen hat eine weit bis ins Mittelalter zurückreichende Tradition. Einer der wesentlichen Gründe hierfür dürfte im Verlangen der Menschen gelegen haben die Wirkungsstätten Jesu zu besuchen, was aber wegen der schier unüberwindbaren Entfernung so gut wie ausgeschlossen war. Konnte man die heiligen Stätten nicht vor Ort ansehen, so wollte man Gläubigen in Form von Gemälden oder plastischen Darstellungen das Heilsgeschehen in Kirchen und Kapellen näherbringen.
Heiliges Theater – durch Schauen zum Glauben
Alles was man sehen kann, das glaubt man auch leichter. Deshalb ließen die Verantwortlichen der Kirche immer aufwendigere Heilige Gräber in den Gotteshäusern aufstellen. Im Laufe der Zeit wurden die Gräber pompöser und unter der Regie der Geistlichen entwickelten sich Passions- und Singspiele rund um die Grabanlagen. Dieses Theatrum Sacrum (Heiliges Theater) wurde immer ausschweifender und endete im weiteren Verlauf der Zeit oftmals in einem ordinären Klamauk.
„Lebender Leichnam“ im Grab
So wurden zum Beispiel begehrte Rollendarstellungen an besonders Betuchte verkauft. Da kam es dann vor allem in den Städten schon vor, dass ein reicher Bürgerssohn als „lebender Leichnam Jesu“ in der Grabeshöhle lag und beim Stichwort in der Osternachtsfeier „Der Herr ist wahrhaft auferstanden“ nicht ganz heiligmäßig auf den Grabeshügel kletterte und von dort wild gestikulierend die Kirchenbesucher zum Beifall anfeuerte. Deshalb wurden diese Spiele und die Heiligen Gräber im Zuge der Aufklärung und Säkularisation verboten. Man „entrümpelte“ die Kirchen sozusagen von allem was die Andacht ablenken könnte. In dieser Zeit verschwanden viele wertvolle Bilder und Skulpturen, die den größtenteils des Schreibens und Lesens unkundigen Gläubigen das Heilsgeschehen bildlich vermittelt hatten. Die Gottesdienste wurden ausschließlich in lateinischer Sprache zelebriert, an was sollte sich der einfache Gläubige nun halten? So entstand immer mehr das Bedürfnis die althergebrachten religiösen Gepflogenheiten im Glaubensleben zu integrieren. Dazu gehörte auch die Wiedereinführung der althergebrachten Tradition der Ostergräber.
Sichtbares Zeugnis der Volksfrömmigkeit
Das jetzige Karfreitagsgrab wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts (etwa 1902) vom Erhartinger Schreinermeister Felix Huber entworfen und in bester handwerklicher Qualität hergestellt. Die Bemalung der Kulissenteile, die bis auf einige Ausbesserungen noch im Originalzustand erhalten ist, hat der Mühldorfer Maler und Vergolder Georg Bierler geschaffen. Gemäß dem 19. Kapitel des Johannes Evangeliums wurde Jesus in einem Felsengrab bestattet, das in einem Garten lag. Diese Aussage des Evangeliums war sicherlich für den damaligen Schreinermeister die Grundlage zur Gestaltung des umfangreichen Grabmonumentes. Der von einem Palmenhain umsäumte Grabkomplex erreicht eine Höhe von über 7 Metern und beansprucht somit den gesamten Altarraum. In dem grottenähnlichen Bau befinden sich versetzte Gewölbebögen mit verschiedenfarbigen Glaskugeln in denen sich das Licht schemenhaft bricht. Hoch über dem Grabeshügel haben die Himmelsloge und das hell erleuchtete Kreuz ihren Platz. Steht man vor dem beeindruckenden Grab, eröffnen sich dem Betrachter zwei Perspektiven. Zuerst blickt man in die Gruft mit dem Leichnam Jesu. Bei weiterer Betrachtung schweift der Blick aus der Grabeskammer in die Ferne, hinauf nach Golgotha. Dornenkrone, Geißeln, Nägel, Lanze, Essigschwamm und Schweißtuch hat der Maler an der Frontseite der Gruft anschaulich dargestellt. Zwei aus Holz gefertigte Soldaten bewachen symbolisch das Grab Jesu.
Ausgeklügelte Mechanik zur Grablegung und Auferstehung
Bei den Auferstehungsfeiern vor dem II. Vatikanischen Konzil wurde das Sterben und die Auferstehung Jesu bildlich dargestellt. Mittels einer Falltür auf dem die Figur des Leichnams Jesu lag konnte der Korpus in die Gruft hinabgleiten, während der glorreich Auferstandene mit einer Seilwinde in die Himmelsloge über dem Grabeshügel befördert wurde. Die Reformen des Konzils sehen diese Darstellungen nicht mehr vor.
Bei Bedarf Führungen rund um den Grabkomplex
Das Erhartinger Karfreitagsgrab ist am Karfreitag ganztägig bis ca. 21 Uhr und am Karsamstag bis 13 Uhr in der Pfarrkirche zu besichtigen. Während der Betstunden an den Vormittagen von 10 bis 11 Uhr und während der Karfreitagsliturgie von 15 bis 16 Uhr finden keine Führungen statt.
Wer sich für das „Innenleben“ des Grabes mit der Mechanik zur Absenkung des Leichnams in die Gruft mittels einer „Falltür“ und den „himmlischen Fahrstuhl“ mit dem der Auferstandene Heiland in die hell erleuchtete Himmelsloge mittels einer Seilwinde befördert wurde interessiert, kann dies bei spontanen Führungen rund um den Grabkomplex erfahren.
Da gab´s auch schon mal eine Watsch´n für den Ministranten
Warum es in längst vergangenen Zeiten vom Mesner schon mal eine Watsch´n für den Ministranten an der „Auferstehungskurbel“ gab und was es mit der „Rangfolge“ der von den Bäuerinnen gespendeten Blumenstöcke auf sich hatte kommt bei den Führungen ebenfalls zur Sprache.
Beitragsbild: Das von einem Palmenhain umgebene Erhartinger Karfreitagsgrab lädt zur stillen Andacht und zum begeisterten Staunen ein. Bildnachweis: Josef Padlesak