Gesellschaft

Der Zustand der Union

Wer wissen will, wo eine Partei hinsteuert, muss einen Blick auf die Nachwuchsorganisation werfen. Zwar vertreten diese oft idealistischere Standpunkte, die in der Realität nicht immer haltbar wären, machen damit aber oft sehr deutlich, was eine Partei tatsächlich umtreibt. Die Jugend kommuniziert oft freier und ist noch nicht von mehreren Jahren Parlamentsarbeit zurechtgeschliffen. So beklagte das Spitzenpersonal der Grünen Jugend bereits die „eklige weiße Mehrheitsgesellschaft“, ein Juso-Vorsitzender forderte vor nicht allzu langer Zeit die Vergesellschaftung großer Privatunternehmen. Beides scharfe Statements, die aber zumindest zu innerparteilichen und gesamtgesellschaftlichen Diskussionen geführt haben. Und die Junge Union? 

Will man wissen, wie junge Konservative sich die Zukunft unserer Nation vorstellen, kann man sich das „Spitzengespräch“ des Spiegels mit Tilman Kuban zu Gemüte führen. Der JU-Vorsitzende und Bundestagsabgeordnete spricht hier über seinen Weg in die Union (es gab keinen Zug, mit dem er aus der Disco in Hannover in seinen Heimatort zurückfahren konnte) und bezieht Stellung zu aktuellen Debatten. Wobei „Stellung beziehen“ hier nicht allzu wörtlich genommen werden sollte. Wer klare Positionierungen erwartet, vielleicht sogar einen diskursfördernden verbalen Rundumschlag, sollte sich am besten nicht weiter mit dem JU-Spitzenmann beschäftigen.

Der Journalist Markus Feldenkirchen versuchte Kuban bei verschiedenen Themen vergeblich zu einer Stellungnahme zu bewegen. So zum Beispiel bei der Frage nach der Cannabis-Legalisierung: Kuban ist skeptisch, aber befürchtet auch nicht den Untergang Deutschlands, würde das Kiffen legal. Ähnlich diffus blieb er bei der Frage nach Transsexuellen- und Selbstbestimmungsgesetz. Das Geschlecht mit allen rechtlichen Konsequenzen einfach so per Willenserklärung ändern zu können, ist für Kuban ebenfalls schon irgendwie okay. Die Abschaffung von § 219a StGB entlockt im zwar keine Freudenschreie, er sei hier aber „eher auf der Seite Liberalen“. Heißt: weg mit 219a. Klar wurde Kuban, wenn es um Parteifreunde ging: Dem Vorsitzenden der Werteunion, Max Otte, zeigte er die rote Karte. Ottes Kritik an der merkelschen Politik ist für den JU-Vorsitzenden nicht tragbar. Auch Maßen legte er im Gespräch den freiwilligen Austritt aus der Union nahe. Die Zukunft der CDU sei ein „moderner Konservatismus“, der auf Pluralität und Vielfalt fußt. Gemeint ist wohl ein Konservatismus, der nicht wirklich konservativ, eher beliebig-liberal, in Teilen auch sozial ist.

Was dieses Interview hervorragend illustriert: Die Union weicht von dem unter Merkel eingeschlagenem Wege, immer noch einen Kompromiss einzugehen, auch in der Opposition nicht ab. Dabei werden weder die Genossen noch die Grünen dauerhaft mit einem Kompromiss zufrieden sein. Glaubt Tilman Kuban ernsthaft, wenn § 219a abgeschafft ist, wäre Schluss? Als nächstes wird es § 218 an den Kragen gehen, die Forderung wird in progressiven Kreisen schon jetzt laut. Setzt bei der einstmals konservativen Volkspartei nicht schleunigst ein Sinneswandel ein, wird sie bei der nächsten Bundestagswahl gar keine eigenen Standpunkte vertreten können, langfristig wird man sich mit Ergebnissen deutlich unter 20 Prozent abfinden müssen. Es braucht – gerade in der Opposition – klare Worte, die Union muss Stellung beziehen. Sie muss jetzt klar machen, wo sie steht. 

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