Primiz vor 70 Jahren: Pater Bruno Wunder
Unter Primiz (lat. Primitiae, „Erstlingsfrüchte, erster Ertrag) versteht man grundsätzlich die erste von einem römisch katholischen Priester als Hauptzelebrant gefeierte Heilige Messe.
Bei der Heimatprimiz ist üblicherweise der neugeweihte Priester Zelebrant der Messe. Zur Primiz erhält der neugeweihte Priester das Primizgewand, den Primizkelch und die Patene (Hostienschale).
Dabei zog der Neupriester von seinem Elternhaus in einer Prozession zur Kirche. Weiß gekleidete Mädchen trugen auf einem edlen Kissen den Primizkelch voraus.
Zudem war es üblich, dass die Gemeinde einen Triumphbogen errichtete, durch den der Neupriester in den Ort und in die Kirche einzog.
Diese Merkmale zeigen sich auch bei den Primizfeierlichkeiten der Pfarrei Erharting immer wieder.
Man war sichtlich stolz, wenn man einen Primizianten in der Pfarrei „vorweisen“ konnte. Diese Tatsache wertete die Pfarrgemeinde ungemein auf, ja man könnte sagen durch einen Primizianten erhoffte und beanspruchte die Pfarrei eine besondere Stellung im christlichen Alltagsleben gegenüber anderen Gemeinden die nicht mit einem Neupriester aus ihren eigenen Reihen aufwarten konnten.
So war die Pfarrei Erharting über Jahrhunderte hinweg immer wieder in der glücklichen Lage den äußerst begehrten Primizsegen von einem Neupriester aus ihren eigenen Reihen für ihr Seelenheil empfangen zu dürfen. So sagte auch der Volksmund:“ Für einen Primizsegen muss man mindestens ein Paar Schuhe durchlaufen“.
Primizen waren seit jeher eine besondere Ehre für die Pfarrgemeinde aus der der Neupriester stammte. Oftmals wurden auch weniger begüterte Heimatsöhne von den Pfarrangehörigen finanziell unterstützt wenn sie auf „Geistlich“ studierten. Wenn aus einer Pfarrgemeinde immer wieder junge Männer dem Ruf Christie folgten war dies sozusagen eine besondere Gnade, ja gewissermaßen ein „Sonder Bonus“ für das Seelenheil der gesamten Pfarrei.
Primizen wurden bis ins 20. Jahrhundert hinein unter Einbeziehung der gesamten Pfarrgemeinde gefeiert.
Primiz von Otto Wunder aus Erharting
Nun sind mittlerweile schon 70 Jahre vergangen, dass in Erharting das seltene Fest einer Primiz gefeiert werden konnte. Otto Wunder wurde 1921, also vor genau 100 Jahren in Westendorf Lkr. Kaufbeuren geboren. Im Jahr 1938 übersiedelte die Familie nach Erharting. Nach dem Gymasialbesuch bei den Franziskanern in Würzburg wurde er 1941 zur Marine eingezogen. Im Mai 1945 geriet er bei St. Nazaire in französische Kriegsgefangenschaft. Im Mai 1946 entlassen blieb er bei seinen Eltern in Erharting. Er begab sich sodann zur Vollendung der Studien zu den Minoriten nach Würzburg, um am 22. Juli 1951 durch Bischof Dr. Julius Döpfner zum Priester geweiht zu werden. (Julius Döpfner war der spätere Kardinal von München und Freising). Otto Wunder nahm den Ordensnamen Bruno an.
Am 26. Juli 1951 berichteten die Mühldorfer Nachrichten wie folgt:
Primiziantenempfang. Der Primiz am 29. Juli ging der feierliche Empfang des Neupriesters, des H.H. Paters Bruno Wunder, am Dienstag, 24. Juli, 19 Uhr, in Maxing, auf der Straße nach Mühldorf gelegen, voraus. Seit 1939 hat die Gemeinde das Hochfest nicht mehr erlebt. So strömte diesmal eine riesige Menschenmenge zu Fuß, zu Pferd, zu Rad und per Auto die festlich geschmückte Straße dem 20 Minuten entfernten Maxing zu, wo ein Triumphbogen den Neupriester, der von Mühldorf herkam, auf heimatlichem Boden erstmals grüßte. Drei weißgekleidete Schulmädchen, Helga Kaufmann, Elisabeth Weichselgartner und Anneliese Netzker, begrüßten den Neupriester mit einem von Bernd Lorenz verfassten Gedicht. Mit Stola und Chorrock angetan, gestiftet von den Ortsbewohnern, reihte sich der Primiziant, begleitet von H.H. Pfarrer Fischbacher, dem Festzug ein. Eine stattliche Prozession hinter einer Reitergruppe und einem Radler – Korso unter den getragenen Klängen der Zieglgänsberger´schen Bläser setzte sich zur Pfarrkirche in Marsch. Vom Hochaltar aus erteilte der Primiziant nach einer packenden Begrüßungsansprache des Ortsgeistlichen der versammelten Gemeinde den Primizsegen.
Der nachfolgende Pressebericht vom 30. Juli 1951 gewährt einen detaillierten Einblick zu den Feierlichkeiten.
Ein großer Tag für die Gemeinde Erharting – Feierliche Primiz des Neupriesters Bruno Wunder
Erharting: Ein kleiner Fackelzug bewegte sich in den Abendstunden des vergangenen Samstags zum Elternhaus des H.H. Primizianten Bruno Wunder.
Erhartinger Heimatlied erklingt zum ersten Mal in der Öffentlichkeit
Schulkinder waren es, die unter der Stabführung von Lehrer Moosrainer dem jungen Neupriester ein Abendständchen sangen und erstmals das von Bernd Lorenz dem Dorfe geschenkte „Erhartinger Heimatlied“ erklingen ließen. Die „Musikfreunde“ durch geschätzte Kräfte des Töginger Liederkranzes unterstützt, brachten Heinr. Isaacs schöne Weise „Nun ruhen alle Wälder“, Satz von Joh. Seb. Bach, sowie das „Heimattal“ von Sonnet stimmungsvoll zum Vortrag. Der Primiziant lehnte versonnen an der Tür seines Vaterhauses und lauschte den Tönen, die mit einer gewissen Wehmut in der ländlichen Abendstille verklangen. Dann erteilte er den Sängern dankend seinen Primizsegen im Scheine der bunten Lampions und des strahlenden Kreuzes auf dem Dachfirst.
Tag der feierlichen Primiz
Den hohen Festtag aber leitete ein Morgenständchen ein, das die Musikfreunde in aller Frühe schon mit dem „Ehre und Preis sei Gott in der Höhe“ aus Bachs „Magnificat“ darbrachten und das mit seinem jubelnden Halleluja dem neuen Tag von vornherein den Stempel der Freude im Herrn aufdrückte.
Fast 5000 Gläubige kamen nach Erharting
Gegen 9 Uhr geleitete eine feierliche Prozession den Primizianten mit seinen Angehörigen und Festgästen, u. a. H.H. Geistl. Rat, Dekan Marschall Töging, H.H. Geistl. Rat Eibl, Ecksberg und einige weitere Theologen, sowie Landrat Goßner und Reg. Rat König unter den Klängen der Zieglgänsberger´schen Kapelle durch Ehrenpforten und unter Fahnen hindurch an den überreich mit Girlanden, Kränzen und Tannengrün geschmückten Häusern des Dorfes vorüber, von seinem Elternhaus zum Feldaltar, der an der Nordseite des Friedhofs im Schatten der Pfarrkirche errichtet war und den gegen vier- bis fünftausend Gläubige aus nah und fern umsäumten. Auf einem Podium rechts des Altares wartete der Kirchenchor, durch den Töginger Kirchenchor auf das Zeichen zum Einsatz. Als der Primiziant an den Stufen des Altars angelangt war, wurde er von drei weißgekleideten Mädchen mit einem Gedicht begrüßt. Dann aber drang jubelnd „Frey´s, Das ist der Tag, den der Herr gemacht“ in den herrlichen Sommermorgen, an dem sich ein wolkenloser, südlich-blauer Himmel mit einer goldenen Sommersonne als prächtigster Baldachin über die Weihestätte spannte. Unter Assistenz des Ortsgeistlichen, H.H. Pfarrer Fischbacher, sowie zweier weiterer Neupriester aus Nachbargemeinden feierte Pater Bruno Wunder sein erstes heiliges Meßopfer. Hochwürden Pater Magister Dr. Agathon aus Würzburg sprach in seiner Festpredigt über die Allmacht Gottes und die Sendung des Priesters. Mit Mozarts „Ave verum“ schloss die weihevolle Handlung und der Primiziant breitete seine segnend seine Hände über die andächtige Menschenmenge. Wuchtig stieg nun der Ambrosianische Lobgesang der Tausenden gen Himmel. Und dann strebte ein gewaltiger Festzug hinauf zum Sommerkeller, wo bei Musik und Darbietungen der Schuljugend eine festlich feiernde Gästeschar kaum Platz fand. Nachmittags um 4 Uhr versammelten sich die Gläubigen zur Vesperandacht in der Pfarrkirche, wo der Primiziant nochmals seinen Segen erteilte. Dann aber ging es zurück zum Sommerkeller, wo der Festtag seine fröhliche Fortsetzung fand und wo eines der größten Feste einer katholischen Kirchengemeinde allmählich auch verrauschte, ein Fest, in dessen Vorbereitung seit Wochen so ziemlich alle in schönem und erfreulichen Wetteifer eingespannt waren und dass in dieser Vorbereitung sowohl wie auch in seinem Ablauf einen ebenso eindeutigen wie rührenden Beweis ablegt für die tiefe Religiosität des katholischen bayerischen Volkes im allgemeinen wie für das Zusammengehörigkeitsgefühl der Landbevölkerung im Besonderen“.
Aus dieser Berichterstattung läßt sich schon herauslesen welche Bedeutung dieser Festtag für die Pfarrgemeinde Erharting hatte.
Nach seiner Priesterweihe kam Pater Bruno Wunder als Kaplan nach Schweinfurt St. Anton mit der besonderen pastoralen Verantwortung für die Filiale Dittelbrunn. Weitere Kaplansjahre folgten von 1957 – 1959 in Scheinfeld. Danach wurde er als Pfarrer an die Ordenskirche „Maria Schutz“ in Kaiserslautern berufen. Bis 1968 war er dort tätig, anschließend war er als Familienseelsorger in der Bischofsstadt seiner Heimatdiözese Augsburg tätig.
Pater Bruno Wunder verstarb am 4. März 1979 in Augsburg. Er wurde in der Ordensgruft der Minoriten in Würzburg zur letzten Ruhe gebettet.
Fotos (Familie Wunder): Bischof Julius Döpfner weiht Otto Wunder zum Priester, er führt nun den Ordensnamen Bruno; Primizbild; Pater Bruno Wunder spendet den Primizsegen