Kultur und Geschichte

Wie bunt darf es sein?

Wer darf mit wem auf die Straße, mit wem darf zusammengearbeitet und gemeinsam demonstriert werden? Fragen, die die Bürger der Bundesrepublik nicht erst seit der Corona-Pandemie bewegen. Linke kritisieren Rechte für ihre Nähe zu Neonazis, Rechte greifen Linke an, die sich nicht von der Antifa distanzieren wollen. Beide Seiten meinen es dabei natürlich nur gut mit dem politischen Gegner: Man solle die gute Sache nicht kontaminieren, indem man sich mit den falschen Leuten gemein gemacht. 

Kürzlich erreichte inn-sider, wie wahrscheinlich viele anderen regionale Medien, ein Aufruf des Vereins „Mühldorf ist bunt – landkreisweites Netz für Demokratie und Toleranz e.V.“. Der Verein dürfte vielen Landkreisbürgern bekannt, er beteiligt sich an Demonstrationen, veranstaltet Nachbarschaftsfeste und Kundgebungen. Zweck des Vereins sind laut Satzung unter anderem die Förderung des demokratischen Staatswesens und die „Förderung internationaler Gesinnung, der Toleranz auf allen Gebieten der Kultur und des Völkerverständigungsgedankens sowie des interkulturellen Dialogs, insbesondre der Förderung eines demokratischen Europas“. 

Kritik an Mahnwachen und Spaziergängen

Man macht sich bei Mühldorf ist bunt Sorgen wegen der „Agitatoren aus dem rechten und rechtsradikalen Spektrum“, die zu den Demos aufrufen und dort auch auftreten.  Diese interessierten sich nicht für besorgte Menschen, sondern wollten lediglich ihre eigene Macht und ihren Einfluss mehren. Das rechtsradikale Kräfte versuchen, die Denkweise „normaler“ Bürger zu beeinflussen ist dabei durchaus eine wichtige – wenn auch nicht ganz neue – Erkenntnis. Dabei gehen Reichsbürger, Nationalrevolutionäre und Konsorten geschickt vor: Sie nutzen bürgerliche oder sogar gesamtgesellschaftliche Anliegen, um ihre Botschaften unters Volk zu bringen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass ein überzeugter Rechtsradikaler dabei nicht allein an einem Ende der Pandemiemaßnahmen interessiert ist (staatliche Eingriffe in die persönliche Freiheit sind ja auch nichts, was einen Nazi besonders stören würde). Vielmehr werden solche Proteste genutzt, Menschen an rechtsextremes Gedankengut heranzuführen und selbiges so zu normalisieren. 

Die Kritik des Vereins an den sogenannten Mahnwachen ist hier durchaus berechtigt, im Umfeld der Maßnahmengegner finden sich auch in den Landkreisen Mühldorf und Altötting obskure Gestalten, die in der Impfung eine Massenvernichtungswaffe sehen, stattdessen die Nutzung „Germanischer Heilkunde“ empfehlen. In den entsprechenden Telegram-Gruppen wird auch vor einer „totalen Versklavung“ durch die EU gewarnt. Auch Tipps, wie man die Maskenpflicht umgeht, werden ausgetauscht. 

Hier muss außerdem festgehalten werden, dass „Mühldorf ist bunt“ mitnichten ein Verbot der Demonstrationen fordert, sondern lediglich ein Zeichen gegen Rechtsradikalismus und Irreführung setzen will.

Der Dreck vor der eigenen Türe

Natürlich ist es schwierig, die Kritiker zu kritisieren, ohne den Eindruck zu erwecken, man mache sich mit den Kritisierten gemein. Dennoch ist es wichtig, auch denen auf die Finger zu schauen, die fordern, anderen ganz genau auf die Finger zu schauen. 

Schon ein kurzer Blick auf die Webseite verrät, dass man bei „Mühldorf ist bunt“ wohl mit zweierlei Maß misst. In der Vergangenheit hat das landkreisweite Netzwerk bereits einige Male mit der Ditib-Jugend Waldkraiburg zusammengearbeitet. Unter anderem veranstaltete man ein „Dialog-Fastenbrechen“ auch bei Veranstaltungen des Vereins war die Ditib-Jugend zugegen. Bei Ditib handelt es sich um einen bundesweit agierenden Islam-Verband, der größtenteils von der türkischen Regierung finanziert wird. Allein das zeigt, dass es sich hier nicht um einen unabhängigen Verein muslimischer Menschen handelt, sondern um eine Gruppe mit dezidiert politischer Grundhaltung, vorgegeben vom türkischen Präsidenten Recep Tayip Erdogan. 

Ein Beispiel: Der „Focus“ hatte in der Vergangenheit mehrmals über Verbindung zwischen Ditib und dem türkischen Geheimdienst berichtet. So seien vom türkischen Staate bezahlte Imame verpflichtet, den Geheimdienst alle vier Monate über die Vorgänge in der Gemeinde detailliert ins Bild zu setzen. Nach Bekanntwerden dieser Verquickungen führte die Bundespolizei in mehreren Ditib-Moscheen Razzien durch

„Mühldorf ist bunt“ bezog bereits im Jahre 2019 Stellung zu den Vorwürfen gegen Ditib und die Kritik an der Zusammenarbeit, damals vorgebracht von AfD-Mann Oliver Multusch. Man wolle weiterhin mit Ditib zusammenarbeiten, „zur Stärkung des Dialogs, der Pluralität und Vielfalt“, so die damalige Vorsitzende des Vereins. Nurseda Baskent, die Dialogbeauftragte der Ditib in Waldkraiburg, bekannte sich damals ausdrücklich zu einer „offenen und bunten Gesellschaft“, der AfD warf sie Polemisierung angesichts der Europawahl vor. 

Dass die Skandale um Ditib nach 2019, dem Jahre, der vollmundigen Distanzierungen, nicht aufhörten, lässt vermuten, dass es sich hierbei um Lippenbekenntnisse handelte.

Die bunte Welt der Islamvertreter

Wie die „Welt“ im Herbst 2021 berichtete, kam es in den sozialen Medien immer wieder zu – zumindest im Sinne einer offenen und bunten Gesellschaft – fragwürden Äußerungen. Zu den beliebtesten Feindbildern des Islamverbandes gehörte dabei selbstverständlich Israel. So forderte Mehmet Azal, Vorstandsmitglied des Ditib-Landesverbands Südbayern, im Mai 2021 auf seiner Facebookseite auf Türkisch ein gemeinsames Vorgehen islamischer Länder gegen Israel, Ziel müsse ein Ende der „Besatzungsbewegung“ sein. Azal lässt dabei keine Zweifel offen, dass es mit Worten allein nicht getan ist: „Leider gibt es in der islamischen Welt nur von der Türkei eine Reaktion auf die seit Jahren andauernde israelische Unterdrückung – und sie geht über eine Verurteilung nicht hinaus.“ Azal wird auf der Seite des südbayerischen Ditib-Verbandes, zu dem auch die Moschee in Waldkraiburg gehört, bis heute als Beisitzer geführt.

Auch in Nordbayern ist man nicht zimperlich: Ali Parlayan, Vorstand der Ditib-Gemeinde in Nürnberg, verbreitete online ein Video zum Nahostkonflikt, versehen mit den Worten: „Möge dein Stamm ausgetrocknet werden, Israel. Möge Gott euch vernichten und im Höllenfeuer verbrennen. Möge Gott uns das noch in unserem Leben erleben lassen“. Auch antisemitische Karikaturen hat Parlayan in den sozialen Medien bereits geteilt.  Hasan Aslan, Vorsitzender des Landesverbandes Nordbayern leugnete zudem den Genozid an den Armeniern – und bleibt damit auf der von der türkischen Regierung vorgegeben Linie.

Auch jetzt keine Distanzierung

Eine Anfrage beantwortete der Vorsitzende des Vereins „Mühldorf ist bunt“, Hartmuth Lang, mit dem oben zitierten Pressebericht aus dem Jahre 2019. Stellung zu den aktuellen Vorwürfen beziehen wollten weder er noch der stellvertretende Landrat Richard Fischer, der ebenfalls im Vorstand des Vereins tätig ist. Dass die Bekenntnisse von Frau Baskent aus dem Jahre 2019 nichts wert sind, wenn der Landesvorstand danach weiter gegen Israel polemisiert, sollte klar sein. Was nicht klar ist, ist, warum ein Verein, der sich den Kampf gegen Intoleranz auf die Fahnen geschrieben hat, diese nicht benennen kann oder will, wenn sie nicht von rechts, sondern von Muslimen kommt. Gerade im Lichte neuer Tatsachen sollte der Verein bereit sein, die Schritte, die er von anderen so vehement fordert, auch selbst konsequent zu gehen.

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