Kann die Union Opposition?
Die Union musste im September eine schwere Niederlage hinnehmen. Wir haben Michael Mitterer gefragt, wie es mit der Unionsfamilie weitergeht. Er wünscht sich für die Zukunft eine bessere Zusammenarbeit zwischen CSU und CDU. Auch den öffentlichen Umgang mit internen Machtkämpfen kritisiert der Vorsitzende der JU im Landkreis Altötting.
inn-sider: Nach 16 Jahren in Regierungsverantwortung stellt sich natürlich die Frage: Kann die Union Opposition?
Michael Mitterer: Wir haben das Land 16 Jahre lang erfolgreich regiert. Viele Mitglieder der neuen Bundestagsfraktion kennen Opposition gar nicht. Das ist natürlich eine Umstellung. Die Union würde gerne das Land weiter gestalten, jetzt geht es darum, die Fehler der künftigen Regierung aufzuzeigen und konstruktiv bessere Vorschläge zu bringen. Ich bin mir aber sicher: die Union kann Opposition.
inn-sider: Mittlerweile ist davon auszugehen, dass die Unionsparteien nicht Teil der nächsten Regierungen sein werden. Wer ist geeignet, die Unionsfraktion – und damit die Opposition im Bundestag – anzuführen?
Michael Mitterer: Ralph Brinkhaus wurde mit einem guten Wahlergebnis zum Fraktionsvorsitzenden gewählt und legt jetzt die Grundlagen der Oppositionsarbeit. Ende April 2022 wird der Posten neu gewählt. Je nach Ausgang der Frage um den Parteivorsitz in der CDU kann es dann aber auch andere Kandidaten geben.
inn-sider: Armin Laschet, Markus Söder und andere Unionsgrößen sprechen davon, dass das Ergebnis aufgearbeitet werden muss, die Gründe für das schlechte Abschneiden untersucht werden müssen. Was ist Ihre Einschätzung, woran hat’s gelegen?
Michael Mitterer: Es ist wichtig, nun eine umfassende Untersuchung anzustellen, die wissenschaftlich und unabhängig durchgeführt wird. Daraus müssen dann aber auch die richtigen Lehren gezogen werden. Ich persönlich sehe die Fehler einerseits beim Kandidaten, aber auch unsere Kampagne ist leider nicht wirklich ins Rollen gekommen. Wir konnten inhaltlich nicht so durchdringen. Unser Wahlprogramm war stark, aber im Wahlkampf waren andere Themen, wie Lebensläufe, Bücher oder ein falsches Grinsen leider wesentlich beherrschender als der Inhalt und die Forderungen der Parteien. Das muss man sich als Union aber auch teilweise selbst zuschreiben, man hätte zum Beispiel auf den Plakaten mehr auf konkrete Inhalte gehen können als auf abstrakte Aussagen. Und natürlich gilt, dass die Bürgerinnen und Bürger keine in sich zerstrittenen Parteien wollen. Wir hätten nach der Entscheidung für Armin Laschet mehr Geschlossenheit zeigen müssen.
inn-sider: Vor allem die Basis der beiden Unionsparteien wünscht sich eine personelle Neuaufstellungen. Hier hört man vor allem die Namen Jens Spahn, Friedrich Merz und Norbert Röttgen. Ein wirklicher Neuanfang wäre das nicht, oder?
Michael Mitterer: Wichtig für beide Unionsparteien ist, dass es in Zukunft ein starkes Führungsteam gibt. Verschiedene Themen sollten mit unterschiedlichen Köpfen besetzt werden. Um eine große Volkspartei führen zu können, braucht es aber auch Erfahrung. Die Junge Union Bayern hat beschlossen, sich aus der Diskussion bei der CDU rauszuhalten, hofft aber natürlich auch auf neuen Wind und einen Parteivorsitzenden, der auch bei den jungen Mitmenschen ankommt.
inn-sider: Was muss die Union tun, um sich jetzt nicht in Personaldebatten zu verlieren?
Michael Mitterer: Nicht nur im Hinblick auf die anstehenden Landtagswahlen in einigen Bundesländern im Frühjahr 2022 ist es wichtig, schnell zu einem Ergebnis zu kommen. Hinter dieser Entscheidung muss aber dann auch die ganze Unionsfamilie geschlossen stehen.
inn-sider: Die Entscheidung, Armin Laschet zum Kanzlerkandidaten zu machen, war vor allem bei der Parteibasis auf wenig Begeisterung gestoßen. Muss die Basis in solche Entscheidungen in Zukunft mehr eingebunden werden?
Michael Mitterer: Die Basis ist enorm entscheidend, da sie den eigentlichen Wahlkampf macht. Daher ist es für die Zukunft enorm wichtig, die Basis zumindest besser abzuholen und nach Möglichkeit auch mit aktiven Mitteln einzubinden. Was die Entscheidung aber auch gezeigt hat, ist, dass es wichtig wäre, ein gemeinsames Gremium aus CSU und CDU Vertretern zu schaffen – wir nennen es Unionsrat – und einen Prozess vorzugeben, der in Streitfällen einen Ablauf bereithält, sich zu einigen.
inn-sider: Kann man hier vielleicht sogar von den Grünen lernen?
Michael Mitterer: Auch die Grünen hatten nur eine Kandidatin dem Parteitag vorgeschlagen, die Entscheidung fiel bereits vorher. Aber bei den Verhandlungen und Absprachen konnte man nicht im Live-Ticker auf Twitter jede Aussage mit verfolgen. Und nach der Entscheidung war Ruhe und man unterstützte sich gegenseitig. Diese beiden Punkt sollten wir uns als CDU und CSU zu Herzen nehmen.
inn-sider: Wirft man einen Blick auf die Umfragen, verlieren auch die CSU und Markus Söder an Zustimmung. Ist es auch in Bayern an der Zeit, nach neuem Spitzenpersonal zu suchen?
Michael Mitterer: Wir haben die Wahl als Union verloren – und damit auch als CSU. Auch wir müssen uns Gedanken darüber machen, was wir in Zukunft verbessern können. Markus Söder hatte zwischendurch sehr überragende Zustimmungswerte. Diese sind nach wie vor hoch. Wir sollten aber keine One-Man-Show veranstalten.
inn-sider: Bei ihrer Landesversammlung hat sich die JU vom „Zugpferd Markus Söder“ verabschiedet, dem Deutschlandtag blieb der bayrische Ministerpräsident fern. Ist das Verhältnis zwischen Parteiführung und -jugend nachhaltig gestört?
Michael Mitterer: Der Jungen Union war es wichtig, auf der Landesversammlung ein Zeichen zu setzen, dass auch die CSU sich personell breiter aufstellen muss. Dieses breitere Team kann natürlich Markus Söder auch weiterhin führen.
Unser Parteivorsitzender hat der JU Deutschland bei der Absage angeboten, bei einem anderen Termin – nämlich dem das nächste Mal in Bayern stattfindenden Deutschlandrat – ausführlich Rede und Antwort zu stehen. Er drückt sich also nicht vor Diskussionen mit der Parteijugend. Für alle Schritte, die zu einer erfolgreichen Erneuerung der Unionsparteien beitragen, hat Markus Söder die volle Unterstützung der Jungen Union.
inn-sider: Zum Schluss noch Ihre persönliche Einschätzung: Was muss die CSU im Wahlkreis und in Bayern tun, um Wähler von SPD, Grünen, FDP und AfD zurückzugewinnen?
Michael Mitterer: Es ist wichtig, eigene Inhalte zu setzen und eine konstruktive Opposition darzustellen. Die Randparteien Linke und AfD verstehen unter Opposition nur ein „Dagegen“ und „Draufhauen“. Wir müssen dagegen darstellen, wie wir die Probleme selbst angehen würden und eigene Lösungen aufzeigen. Und wir müssen wieder die Themen selbst setzen und nicht nur fremden Themen hinterherlaufen.