Wie der Mühldorfer Schwaigerbräu zur Brauerei Liebhart in Erharting wurde
Wenn heutzutage irgendwo in der Region der Ort Erharting genannt wird, verbindet man mit dem beschaulichen Dorf an der Isen meistens die ortsansässige Brauerei, denn Wirtshäuser und vor allem Brauereien prägen seit alten Zeiten die Dörfer und Städte im Bayernland. Blicken wir auf das Gastgewerbe vergangener Jahrhunderte zurück, so erscheinen in Erharting schon ab dem 16. Jahrhundert zwei Wirtstavernen.
Es ist zuverlässig überliefert, dass der Vertrag zum Erhartinger Frieden vom 20.Juli 1275, in welchem die Grenzen zwischen Bayern und Österreich neu festgelegt wurden, im Wirtshaus zu Erharting besiegelt wurden. Diese Wirtschaft wird in jahrhundertealten Aufzeichnungen als Oberwirtstavern und Perckhofer Tavern bezeichnet und wechselte zeitweise den Besitzer, unter anderem gehörte sie zwischenzeitlich zum Hampersbergerhof.
In den Katasteraufzeichnungen des 19. Jahrhunderts wird die Lokalität als „Noderwirt“ erwähnt. Diese Bezeichnung ist auf einen der Vorbesitzer im 18. Jahrhundert zurück zu führen.Ein weiteres Gasthaus war die als „Unterwirtstavern“ und später als „Staudingertavern“ bezeichnete Gastwirtschaft unweit der Oberwirtstavern, die dann ab dem 19. Jahrhundert „Fischerwirt“ genannt wird.
Unterschiedliche Statuten zwischen den Bayerischen und Salzburgischen Besitzungen
In einem Schreiben der beiden Erhartinger Wirte Hans Khulbinger von der Oberwirtstavern und Hans Pürchinger von der Unterwirtstavern ersuchten sie im Jahr 1576 die vorgesetzte Stelle in Salzburg um die Genehmigung größerer Hochzeiten, so wie sie die Kollegen in den Gerichtsbezirken Neumarkt, Ötting und Tittmoning abhalten zu durften. Dieser Petition hatten sich auch der Wirt von Altmühldorf und Kirchisen angeschlossen.
Aus dem Schreiben geht hervor, dass im Gerichtsbezirk Mühldorf die Anzahl der Hochzeitsgäste auf 24 Personen beschränkt war.
Im Jahr 1764 kaufte Andreas Liebhart die Unterwirtstavern. Am 18. Februar 1765 heiratete er die Administratorentochter Eva Seidl aus Gangkofen. Als Andreas Liebhart am 10. Februar 1780 verstarb ging das Anwesen auf seine Witwe Eva über. Diese heiratete den Besitzer der Oberwirtstavern Markus Stempfl.
Dieser übergab dann 1799 die Gastwirtschaft an seinen Stiefsohn Ignatz Liebhart, der am 28. Januar 1799 Maria Kronsperger aus Pleiskirchen geheiratet hatte.
Als auch dieser relativ früh am 31. Mai 1823 verstarb ging der Besitz am 20. Juni 1831 an seinen Sohn Leonhard über. Er heiratete am 20. November 1832 Anna Kaeser aus Albaching und verstarb am 9. September 1844 im Alter von nur 44 Jahren.
Mit vier unmündigen Kindern war nun die verwitwete Wirtin ganz auf sich alleine gestellt. Sie führte über mehrere Jahrzehnte die Gast- und Landwirtschaft in Erharting und konnte den ohnehin schon nicht kleinen Besitz durch kluge Wirtschaftsführung noch erweitern. Eine auf beiden Tavernen liegende Eisenhandels- und Salzstößlergerechtigkeit veräußerte die Witwe Anna Liebhart am 31. August 1847 an den Erhartinger Krämer Andreas Reiter für 1100 Gulden.
Laut Grundsteuerkataster von 1855 bestand das Wirtshausareal, das unter der Hausnummer 12 registriert war, aus dem Wohnhaus mit Schlacht- und Brennhaus, dann Backstube, Stadel mit Kuhstall, Pferde- und Schweinestallung mit Futterboden, Waschhaus, Wagen- und Holzschupfen sowie Hofraum.
Gegenüber, auf der anderen Straßenseite, der Oberwirtstavern oder auch Noderwirt, den im Volksmund als Schafstall bezeichneten Immobilien, waren der Getreidekasten, Stadel mit Schafstallung, Wagenschupfen und die Kegelbahn untergebracht.
Die Bezeichnung Brennhaus deutet auf eine Berechtigung zum „Schnapsbrennen“ hin, während die Erwähnung der Backstube auf die im Jahre 1808 erwähnte Bäckergerechtigkeit von Ignaz Liebhart hinweist.
Am 23. September 1832 erwarb Leonhard Liebhart vom „Linnerbauern“ Anton Gründl für 200 Gulden das Metzgerrecht.
Mühldorfer Schwaigerbräu hatte Schulden bei der Erhartinger Wirtin
Das Bier für die Gastwirtschaft in Erharting bezog die damals allgemein als „Wirthin“ bezeichnete, geschäftstüchtige Frau vom Schwaigerbräu am Mühldorfer Stadtplatz. Die Vorgänger des Schwaigerbräus in Mühldorf waren der Eibl- und Waldingerbräu.
Am 5. März 1841 kaufte Johann Schwaiger, vorher Braumeister beim Wenzlbräu, für 26.000 Gulden die Braustätte. Ob sich Johann Schwaiger beim Kauf der zwei Gebäude mit Brauerei, Mälzerei und Gastlokal finanziell übernommen hatte? Tatsache ist jedenfalls, dass der Schwaigerbräu bei der Erhartinger Wirtin nicht unbeträchtliche Schulden angehäuft hatte. Eigentlich ein Kuriosum, denn normalerweise lief es umgekehrt, in der Regel hatten nämlich die Wirte beim „übermächtigen“ Bräu Schulden, die sich nach außen hin in der Form zeigten, dass der Bräu die Bierlieferungen an den Gastwirt einstellte und so dessen wirtschaftlichen Niedergang einleitete. Als dann am 10. Januar 1867 Johann Nepomuk Schweiger an einer Lungenlähmung verstarb, konnte seine Witwe Maria den ohnehin schon angeschlagenen Betrieb nicht mehr halten und so kam es am 31. März 1869 zur Versteigerung des Schwaigerbräus, zu dem neben den erwähnten Gebäuden am Stadtplatz auch der in der Katharinenvorstadt gelegene Sommerbierkeller mit Wohnhaus, Stall, Lagerbierkeller mit Faßhalle, Kegelbahn und Hofraum gehörte (Schwaigerkeller). Dies war für die rührige Erhartinger Wirtin Anna Liebhart, die sich vermutlich schon länger mit dem Gedanken an eine eigene Brauerei trug, die Gelegenheit, in Erharting eine Brauerei zu gründen. Äußerst vorausschauend hatte sie schon im Jahr 1869 einen Lagerkeller im Ortsteil Vorberg errichten lassen, den heute weitum bekannten Erhartinger Sommerkeller. Das zur Kühlung des Gerstensaftes erforderliche Eis wurde in den Wintermonaten aus dem eigens angelegten Bräuweiher mit Pferdefuhrwerken zum Sommerkeller transportiert, dort zerkleinert und durch das Eisloch im Kellergewölbe in den Bierkeller geschüttet. Nunmehr waren die praktischen Voraussetzungen für einen Brauereibetrieb gegeben. Was jetzt noch fehlte war das unumgängliche Braurecht. Mit der Ersteigerung des Schwaigerbräus am Mühldorfer Stadtplatz und des am Stadtberg gelegenen Schwaigerkellers für insgesamt 17.300 Gulden hatte die Erhartinger Wirtin nunmehr die Grundlage zur Gründung einer Brauerei in Erharting geschaffen.
„Geburtstunde“ der Brauerei Erharting im April 1872 als Brauerei Liebhart
Der Braubetrieb in Mühldorf wurde eingestellt und das Braurecht nach Erharting in die neu zu gründende Brauerei Liebhart transferiert. Am 7. April 1871 übergab Anna Liebhart den Gesamtbesitz an ihren Sohn Ignaz. Den geplanten Bau der Brauerei sollte die geschäftstüchtige Witwe jedoch nicht mehr erleben, denn sie verstarb am 10. Juni 1871 im Alter von knapp 70 Jahren. In der Todesanzeige wird sie als Wirtin von Erharting und Brauereibesitzerin von Mühldorf bezeichnet.
Ihr Sohn Ignaz heiratete am 27. Februar 1872 die Brauerstochter Katharina Weinzierl aus Unterneuhausen bei Landshut. Schon am 18. und 21. April des gleichen Jahres informierte der angehende Bräu über den bevorstehenden Bau der Brauerei, indem er mittels Inseraten im Mühldorfer Anzeiger nach Arbeitskräften für den Brauhausbau suchte. Zudem wurden die Mühldorfer Bürger am 14. April 1872 mittels einer Anzeige im Mühldorfer Anzeiger informiert, dass der „Liebhart´sche Sommerkeller“ in Mühldorf eröffnet sei.
Foto oben: Ignaz u. Katharina Liebhart, Begründer der Brauerei Liebhart in Erharting