Gesellschaft

Die FDP und die Wahlversprechen

Dass auf die FDP kein Verlass ist, wusste schon Franz Josef Strauß. Aber wie schnell die Freien Demokraten alle Wahlversprechen über Bord geworfen haben, das beeindruckt selbst wohlmeinende Beobachter. Und es geht hier nicht um Kleinigkeiten oder Nebenschauplätze, sondern um die zentralen Versprechen, die die Partei vor der Wahl gegeben hatte: keine Steuererhöhung, solide Finanzen und Technologieoffenheit beim Kampf gegen den Klimawandel. Nichts davon hat die ersten Wochen an der Macht überlebt. 

Tricksereien & Steuererhöhung durch die Hintertür

Wie genau solide Finanzen auszusehen haben, da sind sich auch die großen Ökonomen in unserem Land nicht einig. Fakt ist, dass die FDP mit ihrem Nachtragshaushalt und der Umwidmung von 60 Milliarden Euro von Corona- zu Klimabekämpfung mit einem Trick gearbeitet haben, um den Eindruck zu erwecken, sie würden sich an das selbstgesteckte Ziel, keine neuen Schulden zu machen, halten. Dabei wäre es wesentlich ehrlicher – und anständiger – offen zum Schuldenmachen zu stehen. Irgendwie müssen die gelb-rot-grünen Phantastereien ja finanziert werden. Dass Finanzminister Lindner bereit ist, mit gezinkten Karten zu spielen, sieht man auch am Thema Steuern.

Dass eine Partei mit 11,5 % in einer Dreierkoalition gegen zwei Partner, die Steuererhöhungen wollen, keine Steuersenkungen durchsetzen wird, war von vornherein klar. Die FDP brüstet sich deshalb auch mit dem im Höchststeuerland Deutschland herausragenden Erfolg, Steuererhöhungen verhindert zu haben. Leider entspricht auch das nicht ganz der Wahrheit. Auf Grund der steigenden (und aktuell besorgniserregend hohen) Inflationsrate steigen auch die Löhne. Das ist nötig, damit die Kaufkraft des Arbeitnehmers trotz Inflation gleichbleibt. Ein höherer Lohn wird aber auch stärker besteuert. Der Bürger hat bei gleichbleibender Kaufkraft also eine höhere Abgabenlast zu tragen. In Zahlen ausgedrückt bedeutet das für den Staat Mehreinnahmen in Höhe von zwei Milliarden Euro. Während die sogenannte kalte Progression in vergangenen Jahren vom Staat durch angepasste Steuersätze ausgeglichen wurde, plant Christian Lindner nur eine teilweise Anpassung. Mit anderen Worten: Er erhöht die Steuern. 

Technologische Bevormundung auf der Straße & im Netz

Und auch die Technologieoffenheit, das von Christian Lindner propagierte Vertrauen in Tüftler und Ingenieure, ist mittlerweile Schnee von gestern. Hieß es vor der Wahl noch, die Mobilität von morgen würde aus einem Mix aus Elektroantrieb, E-Fuels und Wasserstoff bestehen, warnt der liberale Verkehrsminister Volker Wissing heute vor dem Kauf eines Verbrenners. Die Zukunft sei der E-Motor. Dabei hatte es die Forderung nach Verbrennermotoren, betrieben mit E-Fuels, sogar in den Koalitionsvertrag geschafft: „Außerhalb des bestehenden Systems der Flottengrenzwerte setzen wir uns dafür ein, dass nachweisbar nur mit E-Fuels betankbare Fahrzeuge neu zugelassen werden können.“

Aber auch andere Politikfelder, die die Oppositions-FDP leidenschaftlich beackert hatte, liegen jetzt brach, beispielhaft seien hier die digitalen Bürgerrechte genannt. Früher kämpfte man gegen Artikel 13, für ein freies Netz und kritisierte die Bundesregierung, die „keinen Bit auf digitale Bürgerrechte“ gibt. Heute fordert FDP-Vize Kubicki eine europäische Initiative gegen die Messenger-Plattform Telegram, eine App, die auch der chinesischen und der kasachischen Regierung ein Dorn im Auge ist. Der Vollständigkeit halber muss hier allerdings erwähnt werden, dass extremistische Umtriebe auf Telegram bereits 2020 Gegenstand einer kleinen Anfrage waren. Die Forderung, pauschal gegen eine Plattform vorzugehen, weil sich auf ihr einige schwarze Schafe tummeln, verwundert trotzdem. Vor allem aus dem Mund eines Liberalen.

Es war von Anfang an klar, dass die FDP Zugeständnisse würde machen müssen. Das gehört zum Prozess einer Regierungsbildung und zum demokratischen Prozess ganz allgemein. Mit Kompromissbereitschaft hat das Verhalten der Liberalen aber nichts zu tun. Vielmehr ordnen sie sich den Koalitionspartnern unter und spielen erneut den rückgratlosen Mehrheitsbeschaffer. Was dabei herauskommt, wenn man Wahlversprechen ignoriert und die eigenen Wähler für schöne Posten verrät, sollte der FDP spätestens seit 2013 eigentlich schmerzlich bewusst sein.

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