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Der Heilige mit dem Bären

Heute, am 20. November, feiert das Erzbistum München Freising seinen Patron, den Heiligen Korbinian. Er gilt als der erste Bischof von Freising und somit als Gründer des heutigen Erzbistums. In der christlichen Ikonographie wird er oft mit einem Bären dargestellt. Dieser hat nach der Legende das Lasttier des Heiligen verspeist – sehr zum Missfallen des Bischofs. Der befahl daraufhin dem Bären, an des Esels statt sein Gepäck zu tragen. Wer wäre der Bär, sich dem Befehl eines so heiligen Mannes zu widersetzen? Und also begleitete das Tier Korbinian auf seiner Reise.

Diese Sage hat nicht nur Maler und Bildhauer inspiriert, sondern auch Dichter; unter Anderen erzählt Wilhelm Busch die Geschichte vom Heiligen mit dem Bären:

Wie St. Korbinianus nach Jerusalem wallfahrten ging

Der heil'ge Korbinianus, das weiß ein jeder wohl,
Das war ein frommer Heil'ger im heil'gen Land Tirol.

Der heil'ge Korbinianus nahm seinen Pilgerstab
Und schnürte seinen Ranzen zur Fahrt ans heil'ge Grab.

Ans heil'ge Grab zu fahren bis nach Jerusalem,
Das ist auch ohne Ranzen schon so recht unbequem.

Der heil'ge Korbinianus, der war gar fromm und klug,
Er kauft sich einen Esel, der ihm den Ranzen trug.

Und zogen selbander des Weges allgemach,
Der Heilige hervorne, der Esel hintennach.

Und als sie eine Weile gezogen, da - o Graus! -,
Da kroch aus seinem Loche ein Zottelbär heraus.

St. Korbinianus betet; der Esel aber schrie:
»Iah, Iah, zu Hilfe! Mich frißt das Bärenvieh!«

Und ehe Korbinianus des Dinges sich versah,
Lag von dem ganzen Esel nur noch der Ranzen da. -

Der heil'ge Korbinianus, der war sehr kummervoll,
Daß er nun selber wieder den Ranzen tragen soll. -

»In aller Heil'gen Namen!« St. Korbinianus schrie.
»Jetzt trägst du meinen Ranzen, du dickes Teufelsvieh!«

Der Bär, gar sehr verdrießlich, erhob ein groß' Gebrumm,
Derweilen Korbinianus ihm schnallt den Ranzen um.

Und mußt es auch noch leiden, daß sich zu guter Letzt
Der heil'ge Korbinianus zu seinem Ranzen setzt.

Der Heil'ge und der Ranzen, die machten sich's bequem,
Sie ritten auf dem Bären bis nach Jerusalem.

Und als St. Korbinianus das heil'ge Grab ersah,
Da waren - ach herjerum! - sehr viele Türken da.

»Mein lieber Bär, nun fange sogleich zu tanzen an,
Daß ich am heil'gen Grabe geruhigt beten kann.«

Der Bär fing an zu tanzen, den Türken zum Pläsier,
»O jekel! Allah, Allah! Welch ein gespaßig Tier!«

Da nahm St. Korbinianus vom Kreuz ein gutes Trumm
Und packt es auf den Bären und - kehrte wieder um.

Und als sie wieder kamen ins fromme Land Tirol,
Da sprach St. Korbinianus: »Mein lieber Bär, leb wohl!«

Der Bär, der lief gar schnelle und brummte vor sich her:
»Ich kümmre mich im Leben um keinen Esel mehr.«

Quelle: u.a.: Rolf Hochhuth (Hrsg.): Wilhelm Busch, Sämtliche Werke und eine Auswahl der Skizzen und Gemälde in zwei Bänden. Band 2: Was beliebt ist auch erlaubt. Bertelsmann, Gütersloh 1959, S. 957.

Wilhelm Busch. Sämtliche Werke Band 1 und 2.

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