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Kirche verschlankt

Der Erzbischof von München und Freising Reinhard Kardinal Marx hat aus den 40 Dekanaten seiner Diözese 18 gemacht und lobt dies als „besonderen Augenblick in der Geschichte des Erzbistums“. Die Amtseinführung der neuen Dekane als historischen Moment auszuweisen, mag vielleicht übertrieben sein, sie war aber jedenfalls ein Blick in eine mögliche Zukunft des deutschen Katholizismus.

Es ist alles in allem ein schönes Bild, das die Erzdiözese von ihren neuen 18 Dekanen nach deren feierlichen Amtseinführung im Münchner Liebfrauendom gemacht hat: sie umringen ihren Bischof und Hirten, allesamt tragen sie schlichte Rochetts und darüber violett paspelierte Mozetten. In den Händen halten sie Statuen, die nach dem Bistumsheiligen Korbinian aussehen, und im Hintergrund, über ihren Köpfen sieht man die Gottesmutterstatue, das visuelle Zentrum der Münchner Kathedrale.

Ganz egal, wie man sich diese Fragen beantworten mag, eine Frage, auf die die meisten deutschen Katholiken sicher keine Antwort wissen, lautet: Was ist eigentlich ein Dekanat? Zur Erklärung: ein Dekanat ist ein Gebiet innerhalb eines Bistums, das mehrere Pfarreien umschließt und von einem Dekan geleitet wird. Ein Dekan steht damit also irgendwo zwischen einem Bischof und einem Pfarrer. Um einen Vergleich mit der Politik zu ziehen: Das Dekanat ist für die Kirche, was für den Freistaat Bayern der Regierungsbezirk ist: ein politisches Mittelding, über dessen Sinnhaftigkeit man sich streiten kann.

Man kann diese ganze Reform auf zwei Weisen interpretieren, positiv und negativ. In den unendlichen Gängen jenes Gebäudes in der Münchner Innenstadt, in der das Ordinariat untergebracht ist, also die Verwaltungszentrale des Erzbistums, mag es zwischen den die eigene Meinung wiederhallenden Wänden nach einer guten Idee klingen, die „mittlere Ebene schlank und effizient zu gestalten“ und aus der Sicht klugen Verwaltens mag das tatsächlich sinnvoll sein. Doch wenn in der Kirche das Wort ‚verwalten‘ fällt, ist das Wort ‚Untergang‘ eigentlich nie weit. Denn so vehement es der Münchner Oberhirte auch verneinen mag, eine Verwaltungsreform in der Kirche ist immer dann ein Deckmantel für den Untergang, wenn sich im Kern eigentlich nichts ändert. Eine neue Landkarte mit frisch gezogenen Dekanatsgrenzen wirkt vielleicht prima facie wie ein Fortschritt, in Wahrheit aber verschleiert sie das Faktum, dass sich innerhalb der neu gepinselten Grenzen, genau wie vorher, die gleichen Probleme abspielen: zu wenige Priester, zu wenig Gläubige, zu wenig Glaube. Die Zahl der Dekanate um mehr als die Hälfte zusammenzustutzen, mag angesichts der schwindenden Zahl an Personal und Publikum nur folgerichtig zu sein, so etwas aber als einen historischen Moment zu bezeichnen, ist nur insofern richtig, als dass nun in der aufgeblasenen Verwaltung der Kirche endlich jene Realität ankommt, die ein Episkopus wie jener aus München, inhaltlich schon längst geschaffen hat: Verschlankung, aber keine gesunde – es ist eher ein Aushungern. Die Kirche hat sich inhaltlich ausgehungert, ist in vielerlei Hinsicht nicht mehr von einer (staatlich finanzierten) NGO und einem überalterten Socialclub nicht mehr zu unterscheiden. Dass in der Verwaltung nachgezogen wird und man auch hier aushungert, ist – wie gesagt – irgendwo logisch. So viel zur negativen Deutung.

Will man der Reform etwas Positives abgewinnen, lohnt ein Blick in die christliche Soziallehre. Da ist nämlich von ‚Subsidiarität‘ die Rede, die als Unrecht definiert, wenn, „was die kleineren und untergeordneten Gemeinwesen leisten und zum guten Ende führen können, für die weitere und übergeordnete Gemeinschaft in Anspruch“ (Pius XI: Quadragesima Anno) genommen wird. Dinge, die auf der kleinsten Ebene entschieden werden können, sollen dort entschieden werden. Umgemünzt auf die innere Verfasstheit der Kirche kann man der Reform der Erzdiözese durchaus etwas Gutes abgewinnen. Dadurch, dass den Dekanen Kompetenzen übertragen werden, die sich auf das konkrete Leben in den Pfarreien und Gemeinden auswirken und die zuvor im Ordinariat lagen, liegt die Entscheidung jetzt näher am Ort ihrer Auswirkung.

Wichtig ist nur, nicht bei der Struktur stehen zu bleiben. Wenn man die getätigte Reform fruchtbar machen will, ist es wichtig, in sie den Inhalt zu gießen, dessen Verkündigung die Kirche gerade vermissen lässt. Dazu braucht es Mut und Durchsetzungsvermögen, Phantasie und vor allem Glaube. Wir können hoffen, dass uns ein möglicher Blick in die Zukunft ein Bild zeigt, in dem ebenso junge Dekane ihren Bischof umringen – und dass die Dekanate, die sie betreuen, jenen Geist atmen, den diese Männer in ihrer Weihe erhalten haben. Sich mit oberflächlichen Reformen aufzuhalten, wird dieses Bild nicht Wirklichkeit werden lassen. Diese zu nutzen für eine kompromisslose Verkündigung des Reiches Gottes, muss der Auftrag sein.

Beitragsbild: Erzbischöfliches Ordinariat München

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