Der vergessene Gedenktag: 17 Juni
Der 17. Juni war von 1954 bis 1990 als „Tag der deutschen Einheit“ der Nationalfeiertag der Bundesrepublik Deutschland, mit der zur deutschen Wiedervereinigung wurde der 17. Juni durch den 3. Oktober als Tag der deutschen Einheit ersetzt.
Als Aufstand vom 17. Juni 1953 (auch Volksaufstand oder Arbeiteraufstand) wird der Aufstand bezeichnet, bei dem es in den Tagen um den 17. Juni 1953 in der DDR zu einer Welle von Streiks, Demonstrationen und Protesten kam, die mit politischen und wirtschaftlichen Forderungen verbunden waren. Er wurde von der Sowjetarmee gewaltsam niedergeschlagen; 34 Demonstranten und Zuschauer sowie fünf Angehörige von Sicherheitsorganen wurden getötet.
Walter Ulbricht, der von 1950 bis 1971 an der Spitze des Zentralkomitees der SED stand, besaß die höchste politische Entscheidungsgewalt. Mit sowjetischem Einverständnis veranlasste Ulbricht 1952 den Aufbau des Sozialismus in der DDR und 1961 den Bau der Berliner Mauer. Ulbricht wollte den „planmäßigen Aufbaus des Sozialismus“, die „Sowjetisierung“ der Gesellschaft und eine Stärkung der Staatsmacht nach sowjetischem Vorbild.
Die Lage des Staatshaushaltes war im Frühjahr 1953 sehr angespannt, die Existenz der jungen DDR durch eine ernste Ernährungskrise bedroht. Enteignungen und Bodenreform hatte bereits Mitte der 1940er Jahre zum Verlassen von Höfen geführt, Bauern und kleine Gewerbebetriebe wurden durch erhöhte Abgaben zur Aufgabe ihrer Selbstständigkeit gezwungen. Repression gegen Jugendorganisation der Evangelischen Kirche, Studentenpfarrer und Jugendwarte saßen in Gefängnis. Oberschüler, die sich zur Kirche bekannten, wurden häufig von der Schule verwiesen, mitunter kurz vor dem Abitur. An den Universitäten wurden die kirchlichen Studentengemeinden massiv behindert.
„Noch gravierender als der Mangel an industriell hergestellten Verbrauchsgütern wirkte sich die Mißernte des Jahres 1952 aus. Sie war eine Folge schlechter Witterungsbedingungen, aber auch der aus ideologischen Gründen betriebenen Sozialisierungskampagne in der Landwirtschaft, die viele Bauern zur Flucht veranlaßt hatte. Zusätzlich verschärft wurde das Defizit an Lebensmitteln für die Bevölkerung noch durch die Anlage größerer Staatsreserven und die steigenden Anforderungen des Militärs. Jedenfalls brach 1953 in der DDR eine Ernährungskrise aus, die mit den Zuständen in der frühen Nachkriegszeit vergleichbar war.“ Christoph Buchheim: Wirtschaftliche Hintergründe des Arbeiteraufstandes vom 17. Juni 1953 in der DDR, München, Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 1990 Heft 3, S. 415–433, hier S. 428.
Grundnahrungsmittel wurden noch bis 1958 mit Lebensmittelkarten zugeteilt und die Preise der staatlichen Handelsorganisation (HO) lagen deutlich über dem Niveau der Bundesrepublik, so kostete beispielsweise eine Tafel Schokolade im Westen 50 Pfennig, im Osten acht Mark. Den DDR-Bürgern stand nur die halbe Menge an Fleisch und Fett der Vorkriegszeit zur Verfügung. Selbst Gemüse und Obst wurden nicht ausreichend produziert. Vor den Geschäften entstanden lange Schlangen. Das Wohlstandsgefälle zu Westdeutschland vergrößerte sich durch die Mängel der Zentralverwaltungswirtschaft.
Hinzu kam das dramatische Anwachsen der ohnehin seit DDR-Staatsgründung konstant großen Abwanderungsbewegung. Zur großen Belastung der politischen Lage führte auch die hohe Zahl von Strafgefangenen in der DDR.
Vor diesem krisenhaften gesamtstaatlichen Hintergrund wurde die Erhöhung der Arbeitsnormen (also die für den Lohn zu erbringende Arbeitsleistung) als Provokation und absehbare Verschlechterung der Lebensbedingungen der Arbeiterschaft empfunden. Mit der Erhöhung der Arbeitsnormen um zehn Prozent bis zum 30. Juni, dem 60. Geburtstag Walter Ulbrichts, wollte das ZK den wirtschaftlichen Schwierigkeiten begegnen.
Währenddessen konzipierte Ende Mai die Führung der Sowjetunion Maßnahmen zur Gesundung der politischen Lage in der DDR, die einer nach Moskau bestellten SED-Delegation am 2. Juni 1953 mitgeteilt wurden. Am 11. Juni wurde der „Neue Kurs“ des Politbüros schließlich im SED-Zentralorgan Neues Deutschland verkündet: Darin war durchaus Selbstkritik enthalten. Einige Maßnahmen zum Aufbau des Sozialismus wurden zurückgenommen. So sollten Steuer- und Preiserhöhungen aufgehoben werden. Handwerker, Einzelhändler und private Industriebetriebe konnten die Rückgabe ihrer Geschäfte und Betriebe beantragen. Mittelbauern bekamen ihre zuvor konfiszierten Landmaschinen zurück. Alle Verhaftungen und Urteile sollten überprüft werden. Abschaltungen des elektrischen Stromes erfolgten nicht mehr.
Die Bevölkerung verstand diesen Kurswechsel auf Druck der Sowjetunion als Eingeständnis der Unfähigkeit der DDR-Regierung. Zusammen mit der Rechtfertigung der Normenerhöhung war dies der Auslöser von Protesten.
Bereits am 12. Juni 1953 kam es in vielen Dörfern zu Widerstandsaktionen. Bei spontanen Protesten wurden Fahnen verbrannt, Bürgermeister und andere SED-Funktionäre abgesetzt, verprügelt und in Einzelfällen auch in Jauchegruben geworfen wurden. Bauern organisierten auch Proteste in verschiedenen Kreisstädten.
Am Dienstag, dem 16. Juni, kam es an zwei Berliner Großbaustellen zu den ersten Arbeitsniederlegungen. Gewerkschaftsführer weigerten sich Arbeiter anzuhören. In einer zunehmenden Politisierung wurden unter anderem der Rücktritt der Regierung und freie Wahlen gefordert.
Am Morgen des 17. Juni brach im gesamten Gebiet der DDR etwas aus, was später als Aufstand des 17. Juni in die Geschichtsbücher eingehen sollte. Die Belegschaften vor allem großer Betriebe traten mit Beginn der Frühschicht in den Streik und formierten sich zu Demonstrationszügen.
Die Aufständischen besetzten 11 Kreisratsgebäude, 14 Bürgermeistereien, 7 Kreisleitungen und eine Bezirksleitung der SED. Neun Gefängnisse und zwei Dienstgebäude des Ministeriums für Staatssicherheit, acht Polizeireviere, vier Volkspolizei-Kreisämter und eine Dienststelle der Bezirksbehörde der Deutschen Volkspolizei wurden erstürmt.
Schwerpunkte lagen in Berlin, um Halle, in den Bezirkshauptstädten Magdeburg, Leipzig und Dresden. Die Zahl Beteiligten steht nicht fest, Angaben schwanken zwischen 400.000 und 1,5 Millionen Menschen.
Um 14 Uhr wurde eine Erklärung des Ministerpräsidenten Otto Grotewohl im DDR-Rundfunk ausgestrahlt: Darin wurde ausdrücklich noch einmal die Rücknahme der Normenerhöhungen erklärt. Der Aufstand jedoch sei „das Werk von Provokateuren und faschistischen Agenten ausländischer Mächte und ihrer Helfershelfer aus deutschen kapitalistischen Monopolen“. Alle „Arbeiter und ehrlichen Bürger“ forderte er auf, mitzuhelfen, „die Provokateure zu ergreifen und den Staatsorganen zu übergeben“. Diese Darstellung der Ereignisse als ein von außen inszenierter konterrevolutionärer Putschversuch entsprach schon der späteren offiziellen Lesart des 17. Juni in der DDR-Geschichtsschreibung.
Mit der Ausrufung des Kriegsrechts übernahm die Sowjetunion offiziell die Regierungsgewalt über die DDR. Die bereits ab 10 Uhr in Berlin, gegen Mittag oder Nachmittag in den anderen Teilen der DDR einrückenden sowjetischen Truppen demonstrierten vor allem Präsenz. Mit dem Eintreffen der Panzer verlor der Aufstand schnell an Schwung; zu größeren Angriffen auf das Militär kam es nicht. Insgesamt waren 16 sowjetische Divisionen mit etwa 20.000 Soldaten sowie rund 8.000 Angehörige der Kasernierten Volkspolizei im Einsatz.
In einer ersten Verhaftungswelle verhafteten Polizei, MfS und Sowjetarmee vor allem sogenannte „Provokateure“.
Nach Ergebnissen des Projekts Die Toten des Volksaufstandes vom 17. Juni 1953 sind 55 Todesopfer durch Quellen belegt. Etwa 20 weitere Todesfälle sind ungeklärt.
Am 17. Juni und den Tagen danach wurden 34 Demonstranten und Zuschauer von Volkspolizisten und sowjetischen Soldaten erschossen oder starben an den Folgen von Schussverletzungen. Nach Todesurteilen von sowjetischen und DDR-Gerichten wurden sieben Menschen hingerichtet. Infolge der Haftbedingungen starben vier Personen, und vier Menschen töteten sich in der Haft. Beim Sturm auf ein Polizeirevier starb ein Demonstrant an Herzversagen. Zudem wurden fünf Angehörige der DDR-Sicherheitsorgane getötet.
Die sowjetischen Truppen setzten außerdem vom 17. bis zum 22. Juni 1953 Standgerichte ein, von denen 19 Aufständische zum Tode verurteilt und erschossen wurden. Hunderte wurden zu Zwangsarbeitslagerstrafen in Sibirien verurteilt.
(Quelle, soweit nicht anders angegeben: Wikipedia)