Was zählt der Wählerwille?
Wer entscheidet wer Abgeordneter im Deutschen Bundestag wird? Die Wähler und Wählerinnen möchte man meinen, „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“ steht im Artikel 20 des Grundgesetzes.
Der Deutsche Bundestag ist nach den Wahlen immer größer geworden. Seine gesetzliche Größe läge bei 598 Sitzen, mehr als genug, tatsächlich haben wir aber derzeit 736 Abgeordnete, also 138 zu viel. Das eigentlich gute Vorhaben der Berliner Regierung, den Bundestag dauerhaft auf 630 Abgeordnete zu verkleinern wurde im Juni 2023 beschlossen und wurde nun vom Bundesverfassungsgericht teilweise mit dem Grundgesetz für unvereinbar erklärt.
Um das Ziel der 630 Abgeordneten zu erreichen, sollte die Grundmandatsklausel gestrichen werden. Diese besagt, dass Parteien die drei Direktmandate erringen, in den Bundestag einziehen, auch wenn sie an der 5%-Hürde (Zweitstimmen) gescheitert wären. So wie nach der Wahl 2021, die Linke. Aufgrund dieser Klausel sitzen aber nicht nur die drei direkt Gewählten im Bundestag, sondern 28 Linken-Abgeordneten, aufgrund Ihres bundesweiten Zweitstimmenanteils von 4,9 %.
Gregor Gysi gewann viermal das Direktmandat in seinem Wahlkreis Berlin-Treptow-Köpenick und soll verdient seinen Sitz im Bundestag haben, sowie die beiden anderen Direktgewählten. Aber der Rest? Der Wählerwille war, dass die Linke an der 5%-Hürde scheitert, könnte man das kommentieren.
Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Entscheidung Ende Juli 2024 die Streichung der Grundmandatsklausel wieder gekippt.
Die Streichung der Grundmandatsklausel hätte aber vor allem Bayern treffen können. Innenminister Joachim Herrmann: „Hätte beispielsweise nach einer Modellrechnung die CSU bei der nächsten Bundestagswahl deutschlandweit weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erhalten, aber aufgrund ihrer flächendeckenden Verwurzelung weiterhin nahezu alle Wahlkreise gewonnen, wäre fast ganz Bayern ohne direkt gewählten Wahlkreisabgeordneten geblieben.“
Die Zweitstimmendeckung will das Bundesverfassungsgericht beibehalten. Diese besagt, dass eine Partei nur so viele Abgeordnete nach Berlin schicken darf, wie der Anteil der Zweitstimmen vorsieht. Hört sich richtig an?
In Bayern gewann 2021 die CSU nahezu alle Wahlkreise, durch die Zweitstimmendeckung werden aber nicht mehr alle Wahlsieger ihr Mandat wahrnehmen können.
Stattdessen ziehen Abgeordnete in den Bundestag ein, aufgrund eines guten Listenplatzes. Z. B. Grünen-Chefin Ricarda Lang, sie kandidierte 2021 für die Grünen im Wahlkreis Backnang-Schwäbisch Gmünd. Sie erhielt 11,5 % der Erststimmen und landete auf Platz 5, hinter den Kandidaten von CDU, SPD, FPD und AfD. Platz 10 der Landesliste der baden-württembergischen Grünen sicherte ihr den Einzug in den Bundestag. Bundesfinanzminister Christian Lindner erhielt 2021 im Bundestagswahlkreis Rheinisch-Bergischer Kreis 16,8 % Prozent der Erststimmen und landete auf dem vierten Platz zog aber als Spitzenkandidat seiner Partei über die Landesliste in den Bundestag ein.
Kandidaten, die einen Wahlkreis gewinnen sind wahrscheinlich bekannt, beliebt und anerkannt beim Wahlvolk. Der eine oder die andere solcher Kandidaten, auch wenn sie ihren Wahlkreis gewonnen haben, müssen künftig Platz machen für solche, die einen guten Listenplatz ihrer Partei erhalten haben.
Zurück zum Anfang, „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“.
Und auch nochmal zu Gregor Gysi, 2017 und 2021 verzichtete er auf eine Absicherung über die Landesliste seiner Partei und hat sich somit der Entscheidung der Wähler gestellt.
Beitragsbild: Musterwahlzettel 2021