„Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende“ – Sandra Bubendorfer-Licht
Nach dem vorzeitigen Ende der Ampelkoalition bereiten sich die Parteien auf die vorgezogenen Neuwahlen im Februar vor. Auch die FDP, die sich in den vergangenen Jahren immer wieder schwerer Kritik von allen Seiten ausgesetzt sah, versucht, den Wähler für die vorgezogene Bundestagswahl 2025 erneut von sich zu überzeugen. Wie das gelingen soll, erklärt die Mühldorfer FDP-Politikerin Sandra Bubendorfer Licht, die seit 2019 dem Deutschen Bundestag angehört.
Die Ampelkoalition hat 2021 mit großen Versprechen und viel Elan die Regierungsarbeit aufgenommen. Kurz darauf folgte die Ernüchterung: Oft fiel es den drei Parteien schwer, eine Einigung zu finden, zahlreiche Maßnahmen stießen bei der Bevölkerung auf wenig Gegenliebe. Vor allem die FDP hatte es in dem Dreierbündnis schwer. Die liberale Wählerschaft sah sich auf Grund der von SPD und Grünen geprägten Regierungslinie verraten, Wähler der Grünen und der SPD sahen in den Freien Demokraten wiederum die Bremser, die wichtige Reformen verhinderte.
Am 6. November 2024 zerbrach die Koalition an internen Unstimmigkeiten. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erklärte nach langen Verhandlungen, er habe den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier umdie Entlassung von Finanzminister Christian Lindner (FDP) gebeten. Interne Dokumente entfachten im Nachgang eine Diskussion über die Rolle der FDP beim Ampel-Aus, Kritiker werden den Liberalen vor, die Regierungsarbeit absichtlich sabotiert zu haben, um ihre Position bei Neuwahlen zu stärken.
Derzeit sieht es für die FDP aber eher schlecht aus. Bei den Umfragen der großen Meinungsforscher kommt sie derzeit auf maximal fünf Prozent. Es scheint nicht ausgeschlossen, dass die Partei erneut den Einzug in den Bundestag verpasst. Wie das verhindert werden soll, welche Erfolge die FDP in den letzten Jahren erzielen konnte und wie man sich auf die Wahl vorbereitet, erklärt Sandra Bubendorfer-Licht.
inn-sider: Frau Bubendorfer-Licht, wie bewerten Sie das Ende der Ampelkoalition?
Sandra Bubendorfer-Licht: „Die Ampelkoalition fand im November 2024 ihr endgültiges Ende, da ihre drei Partner keinen gemeinsamen Kurs mehr fanden für die dringend notwendige Wirtschaftswende in diesem Land. Das von der FDP vorgelegte Wirtschaftswendepapier hat die breite Mehrheit der Ökonomen als vernünftigen und ratsamen Maßnahmenkatalog bewertet. Der Bundeskanzler, die SPD und die Grünen hingegen sehen Deutschland gar nicht in einer Krise, sondern sind der Meinung, ein paar kaum spürbare Reförmchen und die Aussetzung der Schuldenbremse reichten als Lösungsansatz. Nun hat am 23. Februar der Souverän wieder das Wort und kann darüber entscheiden, ob wir mehr Staat, Planwirtschaft, mehr Steuern und Schulden möchten, oder ob wir die Wirtschaftskrise mit marktwirtschaftlichen, also ökonomisch wirksamen Instrumenten beenden, Bürger und Unternehmen entlasten und Deutschland wieder auf Kurs bringen.“
inn-sider: War das Ende für Sie als Abgeordnete absehbar oder wurden auch Sie von den Ereignissen Anfang November überrascht?
Sandra Bubendorfer-Licht: „Die Ampelkoalition war nie eine Liebesheirat. Sondern ein Zweckbündnis, eine Konsequenz aus den politischen Gegebenheiten nach der Bundestagswahl 2021. Sie musste sich mit harten Krisen genauso auseinandersetzen wie mit dem schwierigen Erbe der Ära Merkel, in der Deutschland großteils passabel verwaltet, aber nicht zukunftsfit aufgestellt worden war. Am Ende der Ampel waren Deutschlands Probleme zu massiv, als dass man sich guten Gewissens noch auf Kompromisse hätte einigen können, die die Probleme zu zudecken, aber nicht lösen. Die FDP hat in der Ampel viel Unsinn verhindert, aber das allein reicht nicht für eine erfolgreiche Regierungspolitik. Das Ende war absehbar, der genaue Zeitpunkt indessen nicht. Wir hatten Olaf Scholz vorgeschlagen, gemeinsam und geordnet in Neuwahlen zu gehen. Olaf Scholz hat das abgelehnt und Christian Lindner als Bundesfinanzminister entlassen, als der sich weigerte, die Schuldenbremse zu ignorieren und mit Taschenspielertricks einen verfassungswidrigen Haushalt aufzustellen.“
inn-sider: Man könnte den Eindruck gewinnen, die FDP habe das Ampel-Aus bewusst herbeigeführt (Stichwort „D-Day Ablaufszenarien und Maßnahmen“), um ihre Positionen bei Neuwahlen zu stärken. Schließlich konnte die FDP in der eher linksorientierten Koalition wenig eigene Standpunkte durchsetzen. Sind diese Vorwürfe gerechtfertigt?
Sandra Bubendorfer-Licht: „Die FDP hatte sich, übrigens genau wie SPD und Grüne, seit Monaten mit möglichen Szenarien auseinandergesetzt, wie die Ampel enden könnte. Die Ampel war bei den Bürgern und medialen Kommentatoren doch längst unten durch im vergangenen Herbst. Da ist es nur professionell, über mögliche Wege nachzudenken, wie man eine so unglückliche Koalition am zivilsten beendet. Jeder in Deutschland ist froh, dass es jetzt Neuwahlen gibt. Das Ampel-Aus war eine Befreiung für alle. Richtig ist, dass sich alle drei Ampel-Partner extrem geschadet hätten, hätten sie noch ein Jahr weiterregiert. Dazu waren die Positionen am Ende zu gegensätzlich. SPD und Grüne wollten und wollen weiterwursteln wie bisher. Die FDP war und ist der Meinung, dass die Wirtschaftswende keinen weiteren Aufschub duldet. Schönrederei gegen Kurswechsel. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.“
inn-sider: Wie beurteilen Sie insgesamt die Rolle der FDP in der bisherigen Ampel-Regierung? Wo sehen Sie Erfolge, und wo hätte die Partei aus Ihrer Sicht anders agieren können?
Sandra Bubendorfer-Licht: „Wir haben in schwierigen weltpolitischen Zeiten mit multiplen Krisen Verantwortung für dieses Land übernommen. Wir haben einen Versuch gewagt, frischen Wind in die Bundespolitik zu bringen nach vielen Jahren des Stillstandes der Merkel-Ära. Diese Ampel ist nicht von Anfang falsch abgebogen.
Wir haben die Corona-Maßnahmen abgeschafft. Wir haben die Energieversorgung im kritischen Winter 2022/2023 sichergestellt. Wir haben mit dem Startchancen-Programm eine der größten Bildungsinitiativen auf den Weg gebracht. Und unser Justizminister Marco Buschmann hat das Bundesverfassungsgericht gegen Verfassungsfeinde gesichert. Wir haben die größten Steuererleichterungen in der Geschichte beschlossen. Mit dem Inflationsausgleichsgesetz haben wir 50 Milliarden Steuererleichterungen für 48 Millionen Bürger auf den Weg gebracht. Wir haben die Vermögensteuer verhindert. Wir haben eine höhere Erbschaftsteuer verhindert.
Wir haben seit einem Jahr mehr als deutlich gesagt, dass wir die Wirtschaftspolitik auf den Centercourt des Regierungshandelns bringen müssen. Wir haben dies vor einem Jahr auf dem Dreikönigstreffen in Stuttgart gesagt, wir haben dies mit dem Leitantrag auf dem Bundespartei zum Ausdruck gebracht, wir haben dies bei den Haushaltsverhandlungen für 2025 zur Bedingung gemacht. Und SPD und Grüne haben uns immer wieder hingehalten – bis zum 6. November 2024.“
inn-sider: Die FDP wurde in der Ampel oft als „Verhinderer“ kritisiert. Wie stehen Sie zu diesem Vorwurf, und was möchten Sie den Wählern dazu mit auf den Weg geben?
Sandra Bubendorfer-Licht: „Wir haben gerettet, was zu retten war. Wir haben verhindert, was untragbar war. Man wirft uns jetzt vor, wir seien nicht kompromissfähig genug gewesen. Die Ampel sei an den Egos gescheitert. Das ist Unsinn! Diese Ampel hat vor allem darunter gelitten, dass wir an vielen Stellen viel zu kompromissbereit waren. Häufig über die Schmerzgrenze hinaus. Wir hätten vielleicht mit Jamaika mehr erreichen können, hätte die Union sich im Jahr 2021 nicht untereinander zerlegt. Wahrscheinlich hätte die Ukraine heute den Taurus, hätte Markus Söder mehr an Deutschland gedacht als an sich selbst und Armin Laschet. So viel zum Thema staatspolitische Verantwortung.“
inn-sider: Mit Blick auf die kommenden Bundestagswahlen: Wie möchte sich die FDP positionieren, um Vertrauen bei den Wählern zurückzugewinnen? Welches sind die zentralen Themen, die die FDP in den Wahlkampf einbringen wird? Gibt es neue Akzente, die Sie setzen wollen?
Sandra Bubendorfer-Licht: „Wir wollen den Menschen deutlich machen, dass unser Land so viel mehr kann und so viel mehr in ihm steckt. Und dieses Potenzial müssen wir wieder freilegen. Es geht jetzt um eine Richtungsentscheidung. Wir kämpfen dafür, dass die Menschen möglichst viel über ihr eigenes Leben entscheiden können und sich der Staat nur dort einmischt, wo es unbedingt nötig ist. Wir brauchen nicht mehr Regularien und Belastungen für die Menschen, sondern endlich mal weniger. Wir brauchen nicht mehr Subventionen für Unternehmen, sondern niedrigere Steuern. Politik muss ihre Steuerungsversuche zurückfahren. Der Staat ist nie der bessere Unternehmer. Alle Staaten, die so etwas versucht haben, sind bitter gescheitert. Die Unternehmer wissen selbst am besten, welche Geschäftsmodelle tragfähig sind. Und die Menschen wollen keinen Staat, der ihnen immer mehr vorschreibt, wie sie zu leben haben.“
inn-sider: Angesichts der aktuellen politischen Lage: Mit welchen Parteien kann sich die FDP künftig eine Koalition vorstellen, und welche Konstellationen schließen Sie aus? Glauben Sie, dass die FDP von den anderen Akteuren noch als verlässlicher Partner wahrgenommen wird?
Sandra Bubendorfer-Licht: „Sicherlich wäre eine Koalition aus CDU/CSU und FDP eine sehr gute Lösung für unser Land und die Herausforderungen, vor denen wir stehen. Ich bin mir sehr sicher, dass es nicht zu einer erneuten Ampelkoalition kommen wird. Die demokratische Mitte, zu der ich sowohl die Union, die SPD, Grüne als auch uns zähle, müssen jedoch stets miteinander über demokratische Mehrheiten sprechen können. Dies ist in den Zeiten von erstarkenden Rändern besonders wichtig. Die FDP blickt zurück auf eine lange und prägende Geschichte in bundesrepublikanischer Regierungsbeteiligung. Wir sind stets an konstruktiver Zusammenarbeit und am Fortschrittswillen für unser Land interessiert. Ob Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün, beides wäre eine Ampel light und würde die politische Hängepartie nur verlängern. Wir brauchen jetzt eine bürgerliche Mehrheit und einen politischen Richtungswechsel. Das ist auch der einzige Weg, die AfD wieder kleiner zu machen.“
inn-sider: Zu guter Letzt: Was möchten Sie den Bürgerinnen und Bürgern im Hinblick auf die Bundestagswahlen und die Zukunft des Landes mitgeben?
Sandra Bubendorfer-Licht: „Deutschland kann so viel mehr. Deutschland muss wieder ein Staat werden, dem die Dinge gelingen. Dafür aber müssen wir die richtigen Weichenstellungen vornehmen. Nicht funktionieren wird das mit überbordendem Staatsglauben, Schulden und Subventionen. Gelingen wird es mit Erleichterungen und weniger Bürokratie für die Menschen und die Wirtschaft. Der Staat muss wieder den Menschen dienen und nicht umgekehrt.“
Foto: © Sandra Bubendorfer-Licht