Staatsanwaltschaft Traunstein erhebt Anklage gegen syrische Schleuserbande
Nach jahrelangen Ermittlungen erhebt die Staatsanwaltschaft Traunstein Anklage gegen vier Männer, die als führende Köpfe eines internationalen Schleusernetzwerks gelten. Ihnen werden nicht nur hunderte Schleusungstaten vorgeworfen, sondern auch Taten mit Todesfolge, Geldwäsche im großen Stil sowie Mordpläne. Die mutmaßlichen Täter agierten teils aus Deutschland heraus und sollen mit ihrem illegalen Geschäft Millionen verdient haben.
Die Staatsanwaltschaft Traunstein hat gegen vier syrische Staatsangehörige im Alter zwischen 28 und 44 Jahren Anklage vor dem Schwurgericht des Landgerichts Traunstein erhoben. Den Männern wird unter anderem banden- und gewerbsmäßige Schleusung – in einem Fall mit tödlichem Ausgang – sowie Anstiftung zum versuchten Totschlag, Verabredung zur Anstiftung zum Mord und umfangreiche Geldwäsche zur Last gelegt. Das teilte die Behörde mit, die im Rahmen des sogenannten „Traunsteiner Modells“ grenzüberschreitende organisierte Kriminalität bekämpft.
Die Anklage ist das Ergebnis mehrjähriger internationaler Ermittlungen in Zusammenarbeit mit der Bundespolizeiinspektion Kriminalitätsbekämpfung München sowie weiteren nationalen und europäischen Behörden. Am 20. November 2024 war es im Zuge einer groß angelegten Aktion zu zahlreichen Durchsuchungen und Festnahmen in mehreren Ländern gekommen. Die vier jetzt angeklagten Männer wurden in Deutschland festgenommen und befinden sich seitdem in Untersuchungshaft.
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Angeschuldigten führende Mitglieder eines europaweit agierenden Schleusernetzwerks sind, das maßgeblich für illegale Migration entlang der Balkanroute verantwortlich war. Ziel war es, vor allem syrische Staatsbürger von Serbien über Ungarn und Österreich nach Deutschland oder andere EU-Staaten zu schleusen – gegen Zahlungen von bis zu 12.000 Euro pro Person. Die Bezahlung erfolgte über das sogenannte „Hawala-System“, bei dem ein in Deutschland ansässiger „Hawaladar“ als Mittelsmann fungierte. Erst nach erfolgreicher Ankunft am Zielort wurde das im Voraus hinterlegte Geld freigegeben.
Zwischen 2022 und 2024 soll die Organisation auf diese Weise mindestens 797 Personen in 129 Schleusungstaten nach Europa gebracht und dabei über 3,3 Millionen Euro eingenommen haben. Eine hohe Dunkelziffer ist laut Staatsanwaltschaft zu vermuten. Die Transporte waren teilweise lebensgefährlich: Menschen wurden auf Ladeflächen ohne Sicherung befördert, was bei Unfällen schwerste Verletzungen zur Folge hätte haben können.
Besonders schwer wiegt der Vorwurf gegen den mutmaßlichen Haupttäter (35): Er soll eine Schleusung über Belarus nach Lettland organisiert haben, bei der zwei Frauen an völliger Erschöpfung starben. Zudem wird ihm vorgeworfen, in mehreren Fällen die Tötung von Personen in Auftrag gegeben zu haben – darunter seine Ex-Ehefrau, deren Vater und deren neuer Ehemann. Hintergrund soll laut Ermittlungen ein Streit um das sogenannte „Brautgeld“ gewesen sein. In einem Fall wurde der Vater seiner Ex-Frau in Syrien durch Schüsse lebensgefährlich verletzt und teilweise gelähmt.
Im September 2024 kam es laut Anklage zu einem weiteren schwerwiegenden Vorfall: Der 35-jährige Hauptangeschuldigte und ein 28-jähriger Mitangeklagter sollen einen Überfall auf den 44-jährigen „Hawaladar“ organisiert haben, bei dem dieser in einer Gartenlaube in Hannover mit Waffengewalt zur Herausgabe seines Autoschlüssels gezwungen wurde. Im Fahrzeug vermuteten die Täter 400.000 Euro Bargeld. Letztlich wurden 5.000 Euro gefunden und entwendet.
Neben diesen Vorwürfen wird dem 44-Jährigen umfangreiche Geldwäsche über das Hawala-System zur Last gelegt. Zwischen 2022 und 2024 soll er über 150.000 Euro transferiert und über drei Hawala-Börsen rund 2,9 Millionen Euro ausgezahlt haben – zum Großteil aus Schleusungserlösen.
Ob und wann es zu einem Hauptverfahren kommt, muss nun das Landgericht Traunstein entscheiden. Für alle Beschuldigten gilt bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung die Unschuldsvermutung.
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