Mühldorf: Offener Brief zu einer Baumschutzverordnung
Die Fraktion der Grünen im Mühldorfer Stadtrat hatte anlässlich der Baumfällungen in der Töginger Straße angekündigt, sich für eine Baumschutzverordnung einzusetzen. Mit untenstehenden offenen Brief gehen nun die Mühldorfer Grünen den nächsten Schritt:
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Stadtrats,
besondere Situationen erfordern besondere Mittel. Deshalb wenden wir, die Fraktion der Grünen, uns heute direkt und öffentlich an Sie.
Vor kurzer Zeit wurden auf einem Grundstück gegenüber dem Landratsamt knapp zwei Dutzend alte, aber gesunde Bäume gefällt, um einem Bauvorhaben Platz zu machen, dass bisher nicht genehmigt ist und in seiner Massivität vom Bauausschuss einstimmig abgelehnt wurde. Der Vorgang ist ein besonders illustres Beispiel dafür, wie die Umwelt und die Belange der Bürgerinnen und Bürger von wenigen Einzelnen aus reiner Profitgier mit Füßen getreten werden.
Der Bürgermeister hat sich bemüht, rasch klarzustellen, dass die Stadt nichts dagegen hätte tun können. Damit hat er wohl recht. Die aktuelle Rechtslage gibt keiner Behörde die Möglichkeit, effizient gegen das Fällen von Bäumen vorzugehen. Hierzu bedarf es entweder einer präzisen Bauleitplanung, die teuer und aufwändig ist, oder einer Baumschutzverordnung für die Stadt, die Kriterien für geschützte Bäume generell definiert und Konsequenzen klar und deutlich regelt.
Der Bürgermeister hat auch festgestellt, dass selbst eine Baumschutzverordnung in der aktuellen Causa den Frevel an der Natur nicht hätte verhindern können. Der Eigentümer habe sich nicht einmal an die bestehenden Regeln gehalten. Womöglich hat er damit auch recht, da die Konsequenzen von rechtswidrigem Verhalten derzeit so unbedeutend sind, dass sie in der Gesamtkalkulation eines solchen Bauprojekts nicht ins Gewicht fallen.
Aber, meine Damen und Herren des Stadtrats, dennoch irrt der Bürgermeister in der Konsequenz. Wenn die öffentliche Hand immer, sobald sie befürchtet, dass Regeln gebrochen werden, auf eine Regelung gänzlich verzichtet, dann benötigen wir keine Umweltvorschriften, keine Verkehrsregeln, kein Baurecht und kein Strafrecht. Wenn der Staat davon ausgeht, dass er seine Regeln nicht durchsetzen kann, dann verliert er seine Existenzberechtigung. Das ist der direkte Weg in die Anarchie.
Eine Baumschutzverordnung kann ein scharfes Schwert sein. Zum einen stellt sie dauerhaft und einheitlich klar, dass das Fällen von Bäumen einer bestimmten Art und Größe von den Bürger:innen nicht gewünscht und deshalb ohne Genehmigung auch nicht zulässig ist. Für die meisten, vor allem die gesetzestreuen Bürger, ist das eine klare Leitlinie. Zum anderen kann sie empfindlichere Konsequenzen vorsehen als jede andere Regelung. Die Wirksamkeit einer solchen Verordnung kann man in vielen Gemeinden in Bayern sehen.
Unsere Bayerische Verfassung bestimmt in Artikel 141, dass der Schutz der Umwelt ein vorrangiges Ziel auch für die Gemeinde ist. Nach Artikel 14 unseres Grundgesetzes soll Eigentum auch „dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ Dazu gehört es auch – und in Zeiten der Umweltkrise in besonderem Maße – dem Umweltschutz zu dienen.
Unsere Werteordnung gibt uns als Entscheider:innen also den klaren Auftrag, uns dem Schutz der Umwelt anzunehmen und dabei auch die Eigentümer:innen von Grundstücken in die Pflicht zu nehmen.
Zu Recht haben die Landwirt:innen beim Bienenbegehren darauf hingewiesen, dass auch private Grundeigentümer ihren Anteil am Umweltschutz leisten müssten. Nun geht es darum, gerade in den Wohngebieten Grünflächen und Bäume zu erhalten. „Um die Leistung eines Altbaumes zu ersetzen, müssten je nach Baumart ca. 200 Jungbäume gepflanzt werden“ (Bayerisches Landesamt für Umwelt). Alte Bäume sind im Innenstadtbereich de facto unersetzlich und für den CO2-Haushalt und das städtische Klima existenziell.
Eine Baumschutzverordnung ist der beste Weg, um den Wunsch nach dem Erhalt des noch verbleibenden wichtigen Baumbestandes zum Ausdruck zu bringen und das Fällen von Bäumen effektiv zu verhindern. Dabei geht es nicht darum, Verdichtung, Weiterentwicklung und neue Wohnungen in der Stadt per se zu stoppen. Es geht vielmehr um eine moderate Entwicklung und eine Balance von Umwelt und Bebauung, die die Stadt weiterhin lebenswert macht.
Städte und Gemeinden wie München und Augsburg, aber beispielsweise auch Ebersberg, Rosenheim, Wasserburg oder Bad Reichenhall haben uns dies vorgemacht. Die Stadtratsfraktion der Grünen bittet Sie, Kolleginnen und Kollegen deshalb, das Bestreben nach einer Baumschutzverordnung für Mühldorf im Stadtrat zu unterstützen.
Mit freundlichen Grüßen
Die Fraktion der Grünen im Stadtrat
RA Dr. Matthias KraftStadtrat | Fraktionssprecher Bündnis 90/Die Grünen
Foto: inn-sider.de