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75 Jahre Waldkraiburg: Die Anfänge – vom Pulverwerk zur Stadt

Wo während des Zweiten Weltkriegs Sprengstoff produziert wurde, begann ab 1946 der Neuanfang für Tausende Heimatvertriebene und Flüchtlinge. Doch der Weg von einem Barackenlager zu einer funktionierenden Stadt war lang – und voller Herausforderungen.

Einer der entscheidenden Wendepunkte war die Frage:

Wem gehört eigentlich der Boden, auf dem die Menschen lebten und arbeiteten?

Das Gelände des ehemaligen Pulverwerks war Eigentum des Deutschen Reichs und später der Alliierten. Ohne geklärte Besitzverhältnisse konnte niemand Grundstücke kaufen, Häuser bauen oder Kredite aufnehmen – eine fast ausweglose Situation.

„Diese komplizierte Besitzfrage war für die Entwicklung der Stadt entscheidend“, erklärt Stadtarchivar Konrad Kern. „Erst durch die Unterstützung des Freistaats Bayern und die Gründung der Bayerischen Landesanstalt für Aufbaufinanzierung (LfA) 1951 wurde eine Lösung gefunden.“

Ab 1953 begann die LfA, die Flächen des ehemaligen Pulverwerks nach und nach zu privatisieren. „Das bedeutete: Die Gemeinde, Firmen, Baugenossenschaften und private Häuslebauer konnten endlich Grundstücke erwerben“, so Kern. „Für die Firmen war das überlebenswichtig, weil sie zuvor auf ihren Gebäuden keine Kredite aufnehmen konnten.“

Doch die entscheidende Weichenstellung kam 1962, als die Stadt selbst aktiv wurde:
„Waldkraiburg hat damals den Mut bewiesen, die noch nicht veräußerten Flächen der LfA als Ganzes zu kaufen“, sagt Kern. „Das war eine mutige und wegweisende Entscheidung.“ Mit der neu gegründeten Grundstücksgesellschaft (heute Stadtbau) konnte die Stadt über Jahrzehnte Einnahmen aus Grundstücksverkäufen erzielen – und so Schulen, Kindergärten und kulturelle Einrichtungen mitfinanzieren.

Diese Entscheidung prägte Waldkraiburgs Entwicklung für Generationen. Sie machte aus einer improvisierten Nachkriegssiedlung eine selbstbestimmte Stadt mit Zukunft.

„Es waren damals Menschen hier, die wahnsinnig viel Mut, Kraft, Ausdauer und Teamgeist aufbrachten, um hier eine neue Existenz aufbauen zu können. Ohne diesen Mut und Zusammenhalt gäbe es Waldkraiburg heute nicht“, sagt Konrad Kern.

Konrad Kern

Pürten und Fraham

Auch die Eingemeindungen von Pürten (1974) und Teilen von Fraham (1976) sieht Kern als bedeutendes Kapitel: „Finanziell brachte das der Stadt wenig, aber symbolisch war es wichtig. Die Bevölkerung entschied sich per Volksabstimmung für Waldkraiburg – das war ein starkes Zeichen. Unsere Stadt wurde dadurch ein Stück weit mehr eine bayerische Stadt.“

Heute, 75 Jahre später, erinnert vieles an diese Aufbauzeit: der Pioniergeist, die Bereitschaft, Neues zu wagen – und das Bewusstsein, dass Waldkraiburg auf Mut und Gemeinschaft gebaut wurde.

Beitragsbild: Das beim Bombenangriff am 11. April 1945 zerstörte Wäschereigebäude (heute Stadtplatz), um 1952. Bildquelle: Stadtarchiv Waldkraiburg

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