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Hannah Arendt und Franz Josef Strauß in der Walhalla

In der Walhalla, die 1842 von König Ludwig I. errichtet wurde, um „bedeutende Teutsche“ besonders auszuzeichnen, befinden sich aktuell 132 Büsten und 64 Gedenktafeln. Etwa alle fünf bis sieben Jahre wird eine neue Persönlichkeit aufgenommen und durch die Aufstellung einer Büste ausgezeichnet. Die Entscheidung darüber, welche Büste in die Walhalla aufgenommen werden soll, trifft traditionell der Bayerische Ministerrat auf Vorschlag des Staatsministers für Wissenschaft und Kunst. Eingegangene Vorschläge werden in der Regel vorab durch die Bayerische Akademie der Wissenschaften geprüft. Die letzten Aufstellungen für Käthe Kollwitz und Max Planck fanden 2019 und 2022 statt. Als Nächstes sollen Prof. Dr. Hannah Arendt (1906 – 1975) und Dr. h. c. Franz Josef Strauß (1915 – 1988) geehrt werden. Beide Persönlichkeiten haben auf sehr unterschiedliche Weise, aber mit bleibender Wirkung das politische und geistige Leben Deutschlands und Europas geprägt.

Hannah Arendt, 1906 als Tochter jüdischer Eltern in Linden, heutiger Stadtteil von Hannover geboren, zählt zu den bedeutendsten Philosophinnen bzw. politischen Theoretikerinnen des 20. Jahrhunderts. Geprägt durch die nationalsozialistische Verfolgung der Juden, ihre Gefangenschaft in einem französischen Internierungslager sowie ihr Exil in den USA setzte sie sich intensiv mit Antisemitismus, Totalitarismus und den Gefährdungen demokratischer Ordnungen auseinander. In den USA, wo sie bis zu ihrem Tod 1975 lebte und wirkte, lehrte sie an Universitäten, veröffentlichte Bücher und Artikel, trat in Rundfunkbeiträgen auf und hielt öffentliche Vorträge, wodurch sie einem breiten Publikum als politische Denkerin bekannt wurde. Ihre Werke, insbesondere „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“ und „Vita activa oder Vom tätigen Leben“, gehören zum Kernbestand politischer Theorie und werden weltweit rezipiert. Stellvertretend für ihren unermüdlichen Einsatz steht ihre Tätigkeit für die Jewish Cultural Reconstruction, Inc, die sie zwischen 1946 und 1948 nach Deutschland zurückführte. Sie legte den Grundstein für die Restitution von NS-Raubgut, indem sie sich der Erfassung, Katalogisierung und Rückgabe von Kulturgütern aus jüdischem Besitz widmete.

Franz Josef Strauß, 1915 in München geboren, gilt als Vater des modernen Bayern und als eine der prägenden politischen Persönlichkeiten der jüngeren Vergangenheit: Von der Nachkriegszeit bis zu seinem Tod 1988 war er in zentralen Ämtern – als Landrat von Schongau, Bundestagsabgeordneter, Bundesminister und Bayerischer Ministerpräsident – an allen wichtigen Weichenstellungen der deutschen Nachkriegsgeschichte führend beteiligt. Strauß war ein Politiker von außergewöhnlicher Bandbreite: Von zentraler Bedeutung war sein Beitrag zur Westbindung der jungen Bundesrepublik. Er gestaltete den Aufbau der Bundeswehr maßgeblich mit und stärkte die dauerhafte Einbindung Deutschlands in die NATO. Als überzeugter Europäer engagierte er sich für die europäische Integration. Seine diplomatischen Fähigkeiten und sein Einsatz für eine enge Zusammenarbeit zwischen den europäischen Staaten trugen maßgeblich zur Stabilität und zum Fortschritt Europas bei. Ebenso blieb für ihn die deutsche Frage zentral: Die Wiedervereinigung war stets die oberste Maxime seines bundespolitischen Handelns. Sein Widerstand gegen eine endgültige Anerkennung der deutschen Teilung machte ihn zu einem Wegbereiter der Einheit. In der Finanzpolitik setzte er mit der von ihm mitgestalteten Finanzreform, dem Stabilitätsgesetz und der Einführung der Mehrwertsteuer bleibende Maßstäbe in der deutschen Wirtschaftsordnung. Sein Einsatz für eine starke bayerische Identität verband sich mit einer vorausschauenden Industrie- und Wirtschaftspolitik, die den Freistaat zu einem der führenden Standorte in Deutschland und Europa machte. Traditionelle bayerische Standortstärken wie Luft- und Raumfahrt oder die Gründung von Airbus gehen maßgeblich auf Strauß zurück. Mit Weitsicht ebnete er den Weg für Hightech „made in Bayern“ und prägte das Profil des modernen Freistaats.

Hannah Arendt und Franz Josef Strauß stehen exemplarisch für herausragendes Engagement und Verantwortung. Arendt beeindruckte als unabhängige Denkerin, deren theoretische Arbeiten und öffentliche Tätigkeit bis heute weltweit Debatten über Totalitarismus, Freiheit und politische Verantwortung prägen. Strauß wirkte als praktischer Gestalter von Staat und Gesellschaft, der die Bundesrepublik Deutschland politisch, wirtschaftlich und sicherheitspolitisch fest im Westen verankerte, die europäische Integration vorantrieb und die Grundlagen für Wiedervereinigung und Wohlstand legte und Bayern zu einem der führenden Standorte in Deutschland und Europa entwickelte. Beide verband die tiefe Überzeugung, dass Freiheit und Demokratie aktiv gestaltet und verteidigt werden müssen. Die Aufstellung ihrer Büsten in der Walhalla ist ein sichtbares Zeichen der Anerkennung für diese außergewöhnlichen Lebensleistungen, ein Symbol für Mut, Verantwortung und Weitblick sowie eine Inspiration für die Gestaltung einer lebendigen, zukunftsfähigen Demokratie.

Beitragsbild: Szalay3, CC BY-SA 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0, via Wikimedia Commons

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